Weinkaiser wählt die Deutsche Weinkönigin

Der Saalbau in Neustadt an der Weinstraße, die traditionelle Krönungsstätte der Deutschen Weinkönigin, ist zur Zeit wieder komplett in der Hand von Fanclubs der Regionalweinköniginnen aus dem ganzen Land. Am letzten Wochenende fand hier die Vorentscheidung zur Wahl der 64. Deutschen Weinkönigin statt. Aus den 13 Gebietsweinköniginnen aller deutscher Weinbaugebiete wurden sechs Finalistinnen für Wahl der Deutschen Weinkönigin am kommenden Samstag Abend (20.15 Uhr Live im SWR-TV) ausgewählt. Mit Dirk Würtz und mir sitzen auch zwei Blogger in der rund 80-köpfigen Jury.

Mir ist vor allem wichtig, dass die Siegerin sympathisch und schlagfertig ist. Weinköniginnen werden genau wie junge Sommelieren bei ihren Einsätzen immer wieder von alten Männern, die meinen nur alte Männer können sich mit Wein auskennen, auf die Probe gestellt. Da wüsche ich mir eine Weinkönigin die dem locker standhalten kann. Dazu können bei einer Aufgabe, die die Gewinnerin innerhalb eines Jahres mehrere Monate ins Ausland führen wird, solide Englischkenntnisse und eine gewisse Weltgewandtheit nicht schaden.


Dass die Kandidatinnen wissen, wann die erste deutsche Sektkellerei gegründet wurde (1826), wann Müller-Thurgau gezüchtet wurde (1882) oder wann Riesling erstmals urkundlich erwähnt wurde (1435), ist aus meiner Sicht nicht wirklich relevant. Solches Detailwissen kann sich die neue Deutsche Weinkönigin auch noch in den Wochen nach der Entscheidung erarbeiten. Schlagfertigkeit und sympathisches Auftreten lässt sich dagegen nicht so schnell erlernen. Um nicht falsch verstanden zu werden: Grundkenntnisse in Sachen Wein, also was z.B. im Groben die Produktion eines Bioweins vom Konventionellen unterscheidet, was die (AP-)Nummer auf Prädikatsweinen bedeutet oder in welchen deutschen Weinbaugebieten bestimmte Rebsorten (hauptsächlich) angebaut werden, erwarte ich schon.

Verglichen mit dem Vorjahr fällt auf, dass unter den 13 Kandidatinnen nur zwei Geisenheim-Studentinnen oder Absolventinnen sind. Im Vorjahr waren allein unter den sechs Finalistinnen fünf mit Geisenheim-Hintergrund. Drei aktuelle Kandidatinnen haben mit einem Studium mit Weinbezug in Heilbronn, Idstein und beim DLR in Neustadt zumindest eine vergleichbar Vorbildung, bei einer ganzen Reihe anderer Kandidatinnen fehlte im vorgestellten Lebenslauf jeglicher Wein-Bezug. Das machte sich bei der Vorentscheidung in der vollbesetzten Halle und vor unübersehbaren TV-Kameras insofern bemerkbar, dass gerade diese Kandidatinnen mehrfach Probleme hatten, ihr kurzfristig angelerntes Wissen trotz Lampenfieber abzurufen.

Die sechs Finalistinnen sind (Reihenfolge wie auf dem Bild ganz oben von links):

Melanie Hillenbrand, 22 aus Heppenheim (Weinregion Hessische Bergstraße)
Petra Hammer, 25 aus Stuttgart (Weinregion Württemberg)
Natalie Henninger, 21 aus Endingen-Königschaffhausen (Weinregion Baden)
Julia Bertram, 22 aus Dernau (Weinregion Ahr)
Anna Hochdörffer, 23 aus Landau-Nussdorf (Weinregion Pfalz)
Helgard Frey, 24 aus Guntersblum (Weinregion Rheinhessen)

Nach meinem Eindruck hatten in der Vorrunde Julia Bertram und Melanie Hillenbrand gleichauf die überzeugendsten Auftritte. Bei der Internetabstimmung des Deutschen Weininstituts liegt auch Julia Bertram in Führung, mit knappem Abstand gefolgt von Anna Hochdörffer. Melanie Hillenbrand kommt hier, allerdings bereits mit deutlichem Abstand, auf Platz drei. Wenn man sich nach der Vorentscheidung am Samstag umhörte, wurde auch Natalie Henninger noch gelegentlich als Mitfavoritin genannt. Wenn nichts wirklich ungewöhnliches passiert, sollte die nächste Deutsche Weinkönigin unter diesen vier Kandidatinnen zu finden sein. Sicher sein kann man sich allerdings nicht, denn gut die Hälfte der Jury ist mit Funktionären von Verbänden und Regionen besetzt und dem ein oder anderen Juror (das war in Gesprächen gut zu erkennen), ist die richtige Region mindestens genauso wichtig wie die Kompetenz der Kandidatin.

Neben diesen vier Finalistinnen hatte ich noch die Mittelrheinweinkönigin Ramona Kappus auf meinem Zettel, die neben ihres attraktiven Auftretens mit Humor und Schlagfertigkeit überzeugte, sich allerdings bei den von Nachwuchswinzern und britischen Masters of Wine gestellten Fachfragen leichte Unsicherheiten („Dornfelder findet man v.a. in der Pfalz“) leistete.

Die mächtigste Frau in der deutschen Weinszene ist nicht die Deutsche Weinkönigin, sondern Monika Reule, die auch in diesem Jahr die Veranstaltung eröffnete. Die aktuellen Ämter der Multifunktionärin in Sachen Wein: Geschäftsführerin des Deutschen Weininstituts (DWI), Vorstand des Deutschen Weinfonds (DWF), der Deutschen Weinakademie (DWA) und der Weinwerbe GmbH.

Hier noch zwei Beispiele für die Fanclubs aus allen Weinanbaugebieten Deutschlands.

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