Rudy Kurniawan hatte es geschafft. Als Sohn chinesischer Eltern in Indonesien geboren, Ende der 90er mit Studentenvisum in die USA gekommen und illegal dort geblieben, wurde er innerhalb einer Dekade zum weltweit gefragtesten Raritätenhändler für alte Luxusweine aus Bordeaux und Burgund. Nach erfolgreichen Auktionen (mit $24.7 Mio Dollar Umsatz erzielte die Auktion THE Cellar II im Jahr 2006 einen neuen Rekord, der den bisherigen um gut 10 Millionen übertumpfte) wurde Kurniawan auch über die Altweinszene hinaus bekannt und in Zeitungen wie der LA Times gefeiert. Wie man heute weiß, war gerade bei diesen Rekordauktionen ein Großteil der Weine gefälscht (zB acht Magnums 1947er Château Lafleur, wovon Kurniawan nach dem Erfolg bei einer Auktion gleich bei der nächsten noch einmal acht weitere unters Volk brachte). Großformate aus 1947 und von der Domaine de la Romanée-Conti waren seine Spezialität, warum er in der Szene auch als Mr. 47 oder Dr. Conti bekannt war.
Das ging eine ganze Weile gut, die Kunden waren zufrieden. Kurniawans Erfolgsgeheimnis waren vergleichsweise günstige alte Burgunder aus wahlweise kleinen Lagen/kleinen Häusern/kleinen Jahrgängen, die er mit ein paar Prozent kräftigen jungen Pinots aus Kalifornien auffrischte.
Die Geschichte hat etwas vom Ikarus-Mythos. Auf der Erfolgswelle wurde Kurniawan unvorsichtig, was damit endete, dass Laurent Ponsot, Chef der Domaine Ponsot eigens nach New York gereist kam, um eine Auktion alter Weine seiner Domaine zu verhindern. Kurniawan bot dort diverse Lots Clos St. Denis Grand Cru aus Jahrgängen von 1945 bis 1971 an. Leider hat die Domaine erst 1982 ihren ersten Clos St. Denis produziert. Auch vier Flaschen Clos de la Roche 1929 der Domaine Ponsot waren spannend, denn der Betrieb begann erst 1934 unter eigenem Namen zu füllen.
Das war 2008 und führte zwar zu einigen unangenehmen Fragen aber nicht gleich zur Festnahme. Trotzdem nahm ab diesem Zeitpunkt das Unheil seinen lauf. US-Milliardär und Weinsammler William I Koch (rund 40.000 Flaschen Kellervolumen und der Mann, der die Gravuren der berühmten Jefferson-Flaschen analysieren lies), der auch schon viele seltene Weine von Kurniawan gekauft hatte, machte sich an das, was den meisten anderen Käufern schlicht zu teuer war: Er gab eine Reihe von Kurniawan-Weinen zu umfangreichen Analyen. Untersuchungen von Flascheninhalt, den Flaschen selbst und den Papieretiketten mittels Isotopenanalyse, Radiokarbonmethode und vielem heute möglichen mehr. Ergebnis: nicht alle aber doch ein Großteil der Weine waren gefälscht. Hier Kochs Klageschrift mit einer Auflistung all seiner Vorwürfe gegen Kurniawan als pdf. Erst 2012, vier Jahre nach der Ponsot-Geschichte und viele weitere Auktionen mit Fake-Weinen später, erfolgte eine Razzia bei Kurniawan, der dann auch die sofortige Festnahme folgte, da ein ganzes Fälscherlabor mit hunderten Reserveetiketten berühmter Altweine bei ihm gefunden wurden.
Im Dez 2013 wurde der 39 Jährige Kurniawan dann nicht nur zu zehn Jahren Haft verurteilt, er soll seinen Opfern auch den Schaden von errechneten 28.4 Millionen US-Dollar ersetzen. Daher wurden bis gestern zwei Wochen lang genau 4.711 Flaschen im Schätzwert zwischen 25$ (1987er Georges Faiveley Hospices de Nuits) bis 135.000$ (für ein Lot DRC Magnums) versteigert. Der gesamte Versteigerungserlös lag am Ende bei 1,5 Millionen Dollar. Zwar wurden 98% aller angebotenen Weine versteigert, viele der eindeutigen Originale, wie Einzelflaschen Mouton 1945, DRC 1959 und Latour à Pomerol 1961, die wohl als Vorlage für Fälschungen dienten, gingen allerdings deutlich (bis zu 70%) unter dem aktuellen Marktpreis bei normalen Auktionen über den Tisch. Es gab aber auch Ausnahmen, vor allem Manfred Krankl’s mit Künstleretiketten ausgestattete Sine Qua Non Weine. Eine halbe Flasche SQN „El Corazon“ 1998 erreichte 3.011$ (für eine halbe Flasche kalifornischen Rosé-Weins aus Grenache Trauben!!!), ein Lot aus zwei Flaschen SQN „The Bride“ 1995 ging für for 5.200$ und zwei Magnums SQN „Tant Pis“ 1995 gingen bis auf erstaunliche 15.600$. Mit 45.200$ den höchsten Preis erzielte ein Lot mit drei Flaschen 1911er Romanée-Conti.
Gefunden und beschlagnamt wurden bei Kurniawan 5.259 Flaschen, ein für rund 90.000 Dollar vom FBI engagiertes Expertenteam um Stephanie Reeves und Michael Egan hat aber 392 Bouteillen als eindeutig gefälscht identifiziert und weitere 156 aus diversen Gründen (Kork, etc) als nicht mehr verkehrfähig aussortiert. Aus vielen dieser Flaschen wurden mit einer Spritze Miniproben zur Analyse entnommen. Um diese offiziell wertlosen 548 Flaschen (sechs besondere Großformate wurden für Ausstellungen und zum Anschauungsunterricht aufbewahrt) hat sich der US Marshals Service in Creedmoor (Texas) letzte Woche besonders enfühlsam gekümmert. Hauptdarsteller: Der Gerät – eine Kombination aus einem Baukran und einem drei Tonnen schweren Elektromagneten.
Die gesamte Fotoserie von der Arbeit des US Marshal Service in Sachen Altglas gibt es auf der Flickr Seite des US Marshal Service.
Ein besonderes Schmankerl am Rande für mich persönlich: der ganz oben abgebildete 1988er Chateau Petrus war vor einigen Jahren der erste Petrus meines Weinlebens. Er war gut aber nicht groß, das scheint aber auch bei den nicht gefälschten Heiligen des Jahrgangs 1988 normal zu sein. Die Flasche hab ich übrigens noch. Falls also mal jemand das Depot analysieren will….
2 Kommentare
„Im immer lesenswerten Weinblog „Weinkaiser“ wird die Geschichte einer grossangelegten Betrugsaffaire im Bereich der Edelweine (Bordeaux, Burgund) erzählt – mit wunderschönen Bildern, spannenden und erhellenden Informationen“. So mein Kommentar zu diesem Beitrag, den ich auf meiner Homepage in der Rubrik „Aufgeschnappt“ zitiert und verlinkt habe. Hoffentlich mit Deinem Einverständnis. NB. wäre schön, wenn Du(Ihr wieder einmal bei der Weinrallye mitmachen würdet. Herzlich
Peter
Autor
Danke Peter, auch fürs Weiterteilen. Und ja, die Weinrallye. In diesem Jahr haben Marc oder ich etwa an jeder Zweiten teilgenommen. Ich hab aber fest vor, wieder häufiger dabei zu sein. Marc geht es genauso. Wir sollten es also hinbekommen, wieder regelmäßig einen Artikel beizusteuern….
Gruß nach Zürich, Ralf