Während das Basissegment im Bordeaux weiter ums nackte Überleben kämpft, starten die Spitzenweingüter immer weiter durch. Ob es am Klimawandel liegt? An sorgfältigerer Traubenselektion und besserer Kellertechnik oder schlicht daran, dass die Großen Bordeaux einfach anders, nämlich früher trinkreif und primärfruchtiger ausgebaut werden als in früheren Jahrzehnten? Viele Veränderungen kommen zusammen aber im Ergebnis steht fest: Die Bordeaux-Jahrgänge werden immer besser beurteilt und bessere Bewertungen bedeuten mehr Nachfrage, also höhere Preise und Gewinne.
Der wichtigste Juror in diesem Prozess ist seit rund drei Jahrzehnten der Amerikaner Robert Parker. Viele Châteaux warten seine Bewertungen ab, bevor sie den Subskribtionspreis ihrer Weine festlegen. Es gibt natürlich Heerscharen anderer Weinkritiker. Darunter einige deren Bewertungen für ambitionierte Bordeauxfreunde mittlerweile deutlich wichtiger sind als Parker, weil viele Bordeauxfreunde über die Jahre festgestellt haben, dass ihr eigener Geschmack oder die eigenen Vorlieben eher mit diesen Profiverkostern übereinstimmt. Am Ende hat Parkers Urteil trotzdem den größten Einfluss auf die Preisgestaltung. Letzte Nacht hat er seine Bewertungen und ausführliche Beschreibungen der 2010er Fassproben in seinem kostenpflichtigen Onlineportal „The Wine Advocate“ veröffentlicht.
Robert Parker über den Bordeaux Jahrgang 2010:
„I have tasted enough wines from 2005, 2009 and 2010 to realize that these may be the three greatest Bordeaux vintages I have tasted in my career!“
und weiter:
„I do not think it would be fair or prudent to say that 2010 exceeds in overall quality what was produced in 2009, 2005 or perhaps even 2000. However, it is unquestionably another great vintage. While Bob Dylan may have been talking about his own country when he wrote the song With God On Our Side, it sure looks as if fate has smiled on Bordeaux in an extraordinary way for much of the last decade with four great vintages (2000, 2005, 2009 and 2010). Moreover, the quality of the other vintages in that decade is very good.
If 2009 stood out for the historic richness and potential of the Médocs and some Graves and Pomerols, 2010 seems relatively homogeneous throughout Bordeaux. The Cabernet Sauvignon has once again done exceptionally well, while there may be a handful of Merlot-based wines where the tannins are unusually rustic and excessive, by and large this is a great vintage in every appellation. As time elapses, I do believe it will be the Cabernet Sauvignon-based wines that put on the most weight and reveal the greatest nuances.“
Gleich bei zehn Weinen sieht er ein Potential von bis zu 100 Punkten, dazu 35!!! weitere, die in den Bereich von 97-99+ Potentialpunkte hineinreichen und weit über hundert bis zu Bereich von 93 Punkten. Dabei hat er im mittleren Segment noch lange nicht alles verkostet. Nicht nur die unten aufgeführte Top 12 des Jahrgangs dürfte nach dieser Bewertung und durch die enorme Nachfrage aus China preislich durch die Decke gehen. Aber auch für Weinfreunde ohne Millionenvermögen gibt es gute Nachrichten: Der Jahrgang ist in einer solchen Breite gut aufgestellt, dass es auch diverse Weine zwischen 10 und 25 Euro geben wird, die im Qualitätsbereich von 88-92 Punkte liegen werden und von denen viele zum Glück noch nicht auf Parkers Empfehlungslisten auftauchen. Mit etwas Glück entwickeln sich einige dieser Weine sogar besser als die aktuell hochgelobten, sind sie doch oft etwas weniger konzentriert (marmeladig) und weniger alkoholreich und damit im klassischeren Bordeauxstil.
Die absolute Spitze aus Sicht des WineAdvocaten Rober Parker:
Lafite-Rothschild 98-100
La Mission Haut Brion 98-100
Latour 98-100
Petrus 98-100
Ausone 98-100
Haut Brion 98-100
Mouton-Rothschild 97-100
Pichon-Longueville Baron 97-99+
Montrose 96-99+
L’Eglise Clinet 96-100
Beausejour (Duffau Lagarrosse) 96-100
Pontet-Canet 96-100
Auch die beiden Weine von meinem Foto oben kamen bei Parker gut an:
Clos Fourtet 95-97 (94-96 von mir)
Leoville-Poyferre 95-98 (96-98 von mir)
Zwei sehr unterschiedliche Weine: Der noch sehr weiche Clos Fourtet (St. Emilion) hat eine enorme Primärfrucht und wird wohl auch schon in jungen Jahren viel Freude machen, der Leoville-Poyferre (Saint Julien im Medoc) dagegen hat schon ohne den weiteren Barriqueausbau ein enormes Tanningerüst, hinter dem ein großer Wein steckt, der seinen Höhepunkt erst in frühestens 15 Jahren erleben wird.
Eine Übericht der Bewertungen von 20 der wichtigsten Verkostern (incl. Parker) finden sie hier.