Bei immer mehr Weinfreunden im In- und Ausland ist inzwischen angekommen, dass in Deutschland neben dem Riesling auch mit einer roten Rebsorte in die absolute Weltspitze vorgedrungen ist. Erzeuger wie Bernhard Huber, Paul Fürst, Markus Molitor und Jean Stodden landen mit Ihren Pinot Noir (wie die Rebsorte außerhalb des deutschen Sprachraums genannt wird) regelmäßig an der Spitze internationaler Verkostungspanels. Dabei gibt es kaum eine Rebsorte, deren Weine so unterschiedlich geraten können wie beim Spätburgunder. Anlass genug, den Ursachen für die Unterschiede mal etwas auf den Grund zu gehen. Zum dritten Mal nach 2014 und 2012 fand am vergangenen Wochenende in Bad Neuenahr, im Spätburgunder-dominierten Weinbaugebiet Ahr gelegen, das Internationales Spätburgunder Symposium statt.
Die Hälfte der Vorträge wurde in Englisch gehalten, die andere Hälte auf Deutsch. Beides simultan übersetzt von Peter Gebler, dem einzigen in Deutschland lebenden Cape Wine Master (1995). Dies war wichtig wegen der großen Zahl internationaler Teilnehmer, meist Sommeliers aus der Spitzengastronomie von Skandinavien über Kanada bis nach Asien, die auf Einladung des Deutschen Weininstituts an die Ahr gekommen waren. Durch das Programm führte Romana Eschensperger, eine von acht Deutschen, die den Titel Master of Wine führen dürfen. Die in den 50er Jahren in London gegründete Ausbildung/Prüfung für Weinexperten gilt als die schwierigste Herausforderung in der Weinwelt. Derzeit gibt es 356 Masters of Wine aus 29 Ländern.
Neben der Moderation hielt Romana Eschensperger auch einen Vortrag, ihr Thema war die Rolle des Spätburgunders bei der Schaumweinbereitung. Von den rund 30.000 Hektar Spätburgunder in Frankreich stehen nur rund 10.000 im für diese Rebsorte berühmten Burgund aber 13.000 in der Champagne. Nur ein Bruchteil davon wird für Rosé-Schaumweine verwendet, das Allermeiste wird als Blanc de Noirs weiß gekeltert, womit Pinot Noir auch für weiße Spitzenschaumweine die wichtigste Rebsorte neben Chardonnay ist. Ähnlich ist das Bild in vielen anderen Regionen, die für hochwertige Schaumweine bekannt sind (Franciacorta, Trentodoc, Cremant) und eben auch beim Sekt aus Burgunderrebsorten in D/A/CH.
Im Glas hatten wir dabei:
2013 Pinot brut nature von Griesel & Co, Hessische Bergstraße, Deutschland
2012 Rouge de Noirs brut, Pinot Noir, Schug Carneros Estate Winery, Sonoma, USA
Champagne Wintertime Blanc de Noir brut, Vranken Pommery, Frankreich
Anne Krebiehl, ebenfalls Master of Wine, berichtet über die unterschiedlichen Traditionen und Vorlieben bei Spätburgunder-Klonen in Frankreich, Deutschland, der Schweiz und den USA. Weinreben werden nicht gesät, sondern mit Stecklingen geklont. Bei einigen Rebsorten gibt es dabei große Unterschiede zwischen den einzelnen Klonvarianten (zB Beerengröße, Schalendicke, Wuchsstärke, Reifezeit, Tannin, Intensität und Ausprägung von Fruchtaromen). So auch beim Spätburgunder, der im Extrem vom leichten Erbeersaft bis zur tiefschwarzen Tinte geraten kann. Anne Krebiehl berichtet neue Forschungseergebnisse, erklärt den geschichtlichen Hintergrund der Klonkultur und hinterfragt den Kult um den Klon Nr. 777 aus Dijon (Burgund). Und habe ich lieber uralte Rebstöcke aus einem alten Klon, bei dem die Selektion darauf ausgelegt war, bei deutlich kühlerem Klima noch halbwegs reif zu werden und einen möglichst hohen Ertrag einzufahren oder pflanze ich lieber neu mit Klonen, die bei niedrigem Ertrag hohe Qualität ermöglichen? Und natürlich die Geschichte der Gumboot Clones, also wie der Zollbeamte Malcom Abel dafür gesorgt hat, dass Klone von DRC ihren Siegeszug in Neuseeland antreten konnten (googlen).
Im Glas hatten wir dabei:
2014 Hecklinger Schlossberg GG, Weingut Bernhard Huber, Baden (Klon 777)
2014 Neuenahrer Sonnenberg GG, Weingut Jean Stodden, Ahr (Marienfelder)
2014 Terra 1261, Weingut Benedikt Baltes, Franken (Ritterklon)
Steve Price, PhD berät die Weinbranche an der US-Westküste und in Australien beim Gerbstoffmanagement, also dem Umgang mit Phenolen und Bitterstoffen. Ein gewisses Maß an Gerbstoffen ist im Wein erwünscht, weil sie zur Alterungsfähigkeit beitragen. Zuviel oder die falsche Art von Gerbstoffen kann den Wein aber schnell unharmonisch und bitter machen. Klassische Quellen für Gerbstoffe sind die Traubenschalen, die Traubenkerne und der Holzeinsatz (mittlerweile kann man Tannin auch als Pulver kaufen). Price widmete sich im Vortrag vor allem den Kernen und erklärt, welchen Rolle das Klima in den Weinberge dabei spielt, was sich beeinflussen lässt und was nicht. Viel Wissenswertes um den eigenen Pinot Noir Weinstil auch angesichts der Klimaveränderungen im Griff zu halten. Price zeigt auch auf, wie sich Phenole beim Pinot von anderen roten Rebsorten unterscheiden. Daneben stellte er die Pinot-Anbaugebiete in Kalifornien und Oregon etwas genauer vor.
Carsten Henn, Chefredakteur des GaultMillau Weinguide Deutschland widmete seinen Vortrag den sehr wenig bis gar nicht geschwefelten Weinen, die gerade als Natural Wines in Szene-Weinbars von Berlin über Kopenhagen bis New York in Mode sind. Warum macht man das, welche Risiken bestehen, wie ist das Lagerpotential, und was muss beim Ausbau beachtet werden (zB: extrem sauber, möglichst hohe Säure/niedriger ph-Wert). Außerhalt der Edelgastronomie sind Natural Wines Käufer sehr preissensibel und es geht wenig über 15-20 Euro. Der von Dirk Würtz im Weingut Balthasar Ress kreirte Caviar de Pinot ist da mit 65 Euro eine klare Ausnahme.
Im Glas hatten wir dabei:
2015 Pinot Noir Landwein Oberrhein von Enderle & Moll, Baden, SO2 frei: 26 mg/l gesamt: 55 mg/l
2015 Pinot Noir Landwein Oberrhein von Enderle & Moll, Baden, maximal 10-15mg/l natürliche SO2
2013 Pinot Noir „Caviar de Pinot“, Qualitätswein, Balthasar Ress, Rheingau, SO2 frei: 10 mg/l gesamt: 45 mg/l
2013 Pinot Noir „Caviar de Pinot“, Qualitätswein, Balthasar Ress, Rheingau, SO2 frei: 0 mg/l gesamt: 30 mg/l
Prof. Ulrich Fischer vom DLR in Neustadt (Pfalz) stellte eine Vielzahl der technichen Stellschrauben vor, mit denen beim Weinausbau auf Farbe, Aromen und Intensität der Frucht, Gerbstoffart & -gehalt, Reifegeschwindigkeit & -Potential Einfluss genommen werden kann.
Im Glas hatten wir dabei sieben Versuchsweine:
– ohne Sonderbehandlung
– mit Maischeschwefelung 120 mg/l SO2
– 5 Tage Kaltmazeration bei 5 Grad Celsius
– 2 Tage Nachextraktion bei 38 Grad Celsius
– 20% Saftentzug
– 50% ganze Beeren
– Kaltmazeration, Saftentzug, Kernaustrag, 50% ganze Beeren & 2 Tagen Nachextraktion bei 38°C
Den abschließenden Vortrag hielt Renzo Cotarella, CEO und langjähriger Chef Weinmacher bei Marchesi Antinori. Er präsentierte Pinot Nero von hochgelegenen Weingärten in Umbrien, wo auf sedimentären und vulkanischen Böden auf 340 – 460m spannende Pinots entstehen, wo sich der Kampf gegen noch höhrere Alkoholwerte aber Jahr für Jahr verschärft.
Im Glas hatten wir dabei:
2013 Pinot Nero IGT Castello della Sala, Umbrien, Italien, 14,5%
2010 Pinot Nero IGT Castello della Sala, Umbrien, Italien, 14,5%