Die Spitze Südtirols zu Gast in Hamburg

Rund dreißig der besten Weingüter Südtirols hatten zur Präsentation ihrer aktuellen Kollektionen ins Hamburger 5-Sterne-Hotel Grand Elysée an der Rothenbaumchaussee geladen.

Gleich zu Beginn der Veranstaltung gab es die Gelegenheit, sich von Hendrik Thoma in einem restlos ausgebuchten Seminar „Von klassisch bis Riserva – Südtirols Weißburgunder-Spektrum“ durch unterschiedlichste Vertreter der selben Rebsorte zu probieren und sich nebenher mit einem interessanten Referat über aktuelle Entwicklungen in Südtirol informieren zu lassen. Die Weißburgunder reichten vom frischen und mineralischen „Strahler“ (Südtiroler Begriff für als gemischter Satz gekelterte Weine – hier mit je 4% Grauburgunder und Chardonnay) mit Apfel-Birne-Aromen und animierender Säure, über cremigere Varianten mit etwas Holzeinsatz und BSA (biologischer Säureabbau, der auch malolaktische Gärung genannten Umwandlung von aggressiverer Apfelsäure in mildere Milchsäure) bis zu einem fetten Vertreter, der durch starkem Holzeinsatz und intensive Battonnage an für meinen Geschmack etwas zu bitter geratene Bittermandeln im Holzmantel erinnert.

Hendrik Thoma ist neben Frank Kämmer und Christian Bock einer von nur drei Master Sommeliers im deutschsprachigen Raum. Die Prüfung zum Master Sommelier gilt als mindestens ebenso große Herausforderung wie der Master of Wine, da hier neben perfekten Weinkenntnissen in Theorie und Praxis (Blindverkostungen) auch Expertenwissen zu Themen wie Spirituosen, Zigarren und Service verlangt wird.

Neben den separaten Verkostungstischen der einzelnen Produzenten gab es in der Mitte des Verkostungssaals des Grand Elysée eine freie Verkostung mit mehr als vierzig Weinen der autochthonen (einheimischen) Südtiroler Rebsorte Lagrein (entfernt mit Syrah verwandt), die mit 416 ha genau 8 % der Weinbergsfläche Südtirols (also insg. 5200 ha) einnimmt. Eine Rebsorte, die mehr Aufmerksamkeit verdient hat, denn was ich hier verkosteten konnte machte durchweg Spaß und das zu (gerade für Italien) erstaunlich guten Preisen. Insgesamt werden in Südtirol jährlich ca. 330.000 Flaschen Wein produziert, davon 56% Weißwein und 44% Rotwein. Wohl nirgendwo sonst haben Genossenschaften einen so großen Anteil und auch eine in der Breite so hohe Qualität wie hier: Die 14 lokalen Genossenschaften erzielen 70% der jährlichen Traubenproduktion, weitere 39 Weingüter stellen 25% der Produktion und die über hundert kleinen Eigenbauwinzer nur 5% der Produktion. Noch vor dem Lagrein ist die in Deutschland als Trollinger bekannte Rebsorte Vernatsch wichtigste autochthone Rebsorte Südtirols uns stellt auch mit mehr als 22% den größten Anteil aller Rebsorten in Südtirol. Auch der Gewürztraminer hat seine Heimat hier und macht etwa 9% der Fläche aus.

Am hinteren Ende des Saals ist auch die, in Anlehnung an die wunderbaren Ansitze Südtirols hier Ansitz 2.0 genannte, Zone für Online publizierende, in der an alles gedacht war, was des Onliners Herz begehrte: Stromversorgung am Tisch, WLAN, und die Möglichkeit sich vom ebenso freundlichen wie kundigen Service sämtliche Weißweine am Platz servieren zu lassen. Hier die Weinautoren Mario Scheuermann und Helmut O. Knall, der eigens aus Wien angereist war, an ihren Tischen im Ansitz 2.0

Die Weine der Cantina Terlan gehörten erwartungsgemäß zu den Highlights der Veranstaltung. Vor allem der Sauvignon blanc „Quartz“ zählt seit Jahren zu meinen Lieblingsweinen, der zwar mit 22-28 Euro zu den eher teueren Vertretern dieser Rebsorte zählt, aber auch in diesem Jahrgang 2008 sein Geld wieder absolut wert ist. Deutlich schlanker aber mit seiner feinen Mineralik auch nicht unspannend war der 2007er Terlaner Weißburgunder Riserva aus der 700-900 Meter hoch gelegenen Steillage Vorberg (12-15 Euro).
Cantina Terlan wurde im Jahr 1893 von 24 Weinbauern als eine der ersten Kellerei-Genossenschaften Südtirols gegründet. Heute hat die Kellerei Terlan mit ca. 100 Mitgliedern eine Anbaufläche von 150 ha und eine Gesamtjahres-Produktion von 11.000 hl bzw. 1,2 Mio. Flaschen. In der Vinothek der Kellerei lagern aktuell ca. 12.000 Flaschen aller Jahrgänge von 1955 bis heute, einzelne auch von noch früher. Die ältesten Flaschen stammen aus dem Gründungsjahr.

Die beeindruckendste Kollektion des Tages zeigte das Weingut Alois Lageder aus Margreid, rund 30 Kilometer südlich von Bozen, das bereits seit den 70er Jahren eine Vorreiterfunktion in Sachen Qualität in Südtirol einnimmt. Ausnahmslos empfehlenswert von der Basisline über die biodynamisch erzeugten Weine, die beiden Lagrein und den Pinot Noir bis hin zum Weltklasse Chardonnay Löwengang 2007 (25-30 Euro), der an feinste Burgunder erinnert.

Auch die Kellerei Schreckbichl zeigt wieder eine wunderbare Kollektion, vom feinen und erstaunlich cremigen Sauvignon Blanc bis zum erstaunlich guten edelsüßen Rosenmuskateller.

Entdeckung des Tages war für mich das gerade einmal 13 ha große Terlaner Weingut Kornell, das den Freien Weinbauern Südtirol (FWS) angeschlossen ist. Was der studierte Betriebswirt Florian Brigl, dessen Familie bereits seit 600 Jahren Weinbau betreibt und zu deren Besitz auch die Schlossruine Greifenstein zählt, in Hamburg präsentierte war durch die Bank erstklassig und das zu einem erstaunlich guten Preis-Leistungs-Verhältnis. An der Spitze der Produktion steht die Serie „Staves“, von der eine Lagrein-, Merlot- und Cabernet-Variante gefüllt werden. Auch der gezeigte Sauvignon Blanc, der Blauburgunder und das 2008er Cuvée Zeder aus Merlot (50%), Cabernet (30%) und Lagrein (20%) sind klasse Weine für wenig Geld.

Festzuhalten bleibt ein sehr hohes Niveau bei der gesamten Veranstaltung. Ich habe im letzten Jahr eine ganze Reihe Roadshows italienischer Weinregionen erlebt, diese war die mit Abstand eindrucksvollste. Die Qualität der Weine Südtirols hat in den letzten 10 Jahren einen riesigen Sprung nach vorne gemacht. Die wenigen Ausnahmen wie das ganz oben beschriebene Holzmonster oder ein deutlich zu alkoholischer Sauvignon Blanc mit 16,5 % Vol., (der wohl weniger als Genussmittel taugte und eher als Studienobjekt wie hohe Alkoholwerte möglich sind, bevor die Hefen absterben) bestätigen diese Regel nur.

Noch zwei Tipps für alle, die mehr über die Weine Südtirols wissen möchten oder einen Besuch vor Ort planen:

Das rund 200 Seiten starke Taschenbuch „Wein erleben in Südtirol“ aus dem Jahr 2007 stellt 75 Weinproduzenten Südtirols vor, darunter die komplette Spitze Südtirols, gibt Tipps für Besucher, erklärt wichtige Begriffe, nennt die lokalen Sehenswürdigkeiten sowie Restauranttipps.

Wer es noch etwas detaillierter wissen möchte, dem sei das Standartwerk „Die Weine Südtirols. Der Guide für Kenner und Genießer“ von Dr. Jens Priewe empfohlen an dem auch Christoph Tscholl, einer der beiden Autoren von „Wein erleben in Südtirol“ mitgewirkt hat.

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