Wolfgang Faßbender: Im Wein liegt Lüge

Wolfgang Faßbender: Im Wein liegt Lüge – 99 Legenden und Wahrheiten
Das neue Buch von Wolfgang Faßbender ist ganz gegen den aktuellen Trend von immer dickeren, immer schwerer und aufwendiger ausgestatteten Weinbüchern entstanden. Gerade einmal 116 Seiten umfasst das broschierte Werk, knapp größer als im üblichen Taschenbuchvormat.

Der Autor ist ein sehr erfahrener Wein- und Gastronomiejournalist, unter anderem stv. Chefredakteur des „Bertelsmann Guides Restauranttests“, Redakteur der Zeitschrift Weinwelt und seit einigen Jahren nun verantwortlicher Verkoster für die Regionen Mosel-Saar-Ruwer und Rheingau des Weinführers „Eichelmann – Deutschlands Weine“ (was die Qualität dieses Weinführers deutlich verbesserte). Daneben schreibt er der Kolumnen für mehrere Tageszeitungen und hat bereits eine zweistellige Zahl von Büchern veröffentlicht.

Zu kaum einem anderen Thema scheinen so viele Mythen und Legenden zu existieren wie zum Thema Wein. Wolfgang Faßbender hat hier einmal die verbreitetesten, unsinnigsten und haarsträubendsten zusammengetragen und unter die Lupe genommen. Die Meisten lassen sich auch problemlos in wenigen Sätzen wiederlegen oder aufklären. Zu manchen allerdings könnte auch ebenso problemlos ein eigenes Buch geschrieben werden. Zum Thema Spontanvergärung beispielsweise wird soviel gestritten und soviel Halbwissen verbreitet, dass ich mir dazu hier gerne mehr als eine Seite Aufklärungsarbeit gewünscht hätte.

Bei einem der 99 Themen wage ich sogar leichten Widerspruch. Das Kapitel ist überschieben mit: „Weine müssen nach dem Transport 14 Tage ruhen“. Das wird dann in der ersten Hälfte des Kapitels auch, wie ich finde richtig, als auf mittelalterlichen Transport ungefilterter Fassweine bezogen und daher heute überholt widerlegt. In der zweiten Hälfte des Kapitels geht es dann um heute und der Autor bezweifelt, ob es für andere als „sehr alte, fragile Gewächse“ überhaupt Sinn mache sie nach einem längeren Transport erst einmal 24 oder 48 Stunden ruhen zu lassen. Mein Widerspruch beginnt bei der Annahme:“Ungefilterte Weine existieren auch heute noch, doch in der Regel handelt es sich um gereifte Rote…“. Eine ganze Reihe von ungefilterten Weinen (z.B. Burgunder oder Rhone-Weine) macht auch schon jung richtig Spaß und sollte auch im jugendlichen Alter nicht kurz vor dem Verzehr durchgeschüttelt werden, da sonst das erwartete Vergnügen im wahrsten Sinne des Wortes vertrübt wird. Mein Weinkeller an meinem Erstwohnsitz liegt rund 60 km von meiner Bonner Zweitwohnung entfernt. Ich habe in den letzten Jahren trotz der relativ geringen Distanz so oft schlechte Erfahrungen mit Weinen gemacht, die ich erst kurz zuvor aus der anderen Wohnung mitgebracht hatte (und zuvor auch schon in besserem Zustand getrunken hatte), dass ich heute außer bei ganz jungen Weißweinen darauf verzichte, Weine innerhalb der ersten 1-2 Tage nach dem Transport zu öffnen.

Das ganze Werk lässt sich sehr gut lesen und ist mit seinem leichtem rheinischen Einschlag (Wolfgang Faßbender lebt wenige Kilometer von Köln in einem kleinen Dorf im Bergischen Land und an manchen Stellen merkt man es: das Wort „tut“ zum Beispiel habe ich lange nicht mehr so oft gelesen wie hier) locker, unterhaltsam und informativ geschrieben. Einen zu großen literarischen Anspruch sollte man allerdings auch nicht mitbringen. Wenn 99 ein- bis zweiseitige Kapitel jeweils mit einer in Weinkreisen kursierenden Behauptung beginnen um dann gleich im ersten Satz dementiert oder zumindest stark relativiert zu werden, weiß man als Leser zwar sofort woran man ist, ein Preis für hohe Literatur wird damit aber kaum gewonnen.

Neben vielen privaten Weinfreunden, die sich nicht mehr mit Falschbehauptungen ins Boxhorn jagen lassen wollen, ist dieses Werk auch den Beschäftigten in der Gastronomie zu empfehlen: Kein ausgebildeter Sommelier wird auf dieses Buch angewiesen sein. Der Mehrzahl der Servicekräfte allerdings, die zwar regelmäßig mit Wein hantieren, aber keinerlei (Zusatz-) Ausbildung in diesem Bereich haben, sollte dieses handliche Werk als Lektüre empfohlen werden. Gerade jetzt, kurz vor Weihnachten, ist es sicher auch ein passendes Geschenk für all die lieben Verwandten oder Bekannten, die dauernd mit ihrem Weinwissen prahlen, dabei in Wahrheit aber genau die in diesem Buch widerlegten Mythen und Legenden am Leben erhalten.

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2 Kommentare

  1. Hallo Ralf,

    ich befürchte, gerade Sommeliers dürften auf dieses Buch angewiesen sein, insbesondere wegen des netten Kapitels über unseren „Freund“ Naturkork.

    Viele Grüße
    Werner

    • Thomas Riedl auf 17. Mai 2011 bei 10:05
    • Antworten

    Hallo Ralf,

    Du wünschst Dir Aufklärungsarbeit zum Thema Spontanvergärung? Ich schick Dir eine mail mit dem Ergebnis meiner Fachliteratur-Recherche!

    Rein spontane Grüße

    Thomas Riedl

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