Streit um Gault Millau WeinGuide eskaliert

Offener Brief einiger Spitzenwinzer an den Christian Verlag

Eine Gruppe von 14 deutschen Winzern, darunter einige der renommiertesten des Landes, haben gestern dem bekanntesten deutschen Weinführer, dem Gault Millau WeinGuide, den offenen Kampf angesagt. Sie wollen keine Weine mehr zu Verkostungen und Bewertungen mehr zu Verfügung stellen und auch sonst nicht mehr im WeinGuide erwähnt werden.

Das ganze hat natürlich eine Vorgeschichte: Mitte Juni haben die im WeinGuide aufgeführten Weingüter einen Brief vom Verlag erhalten, in dem Sie gebeten wurden eine „freiwillige Teilnahmegebühr zur Beteiligung an den Herstellungskosten des WeinGuides“ in Höhe von 195,00 € plus MwSt zu zahlen. Dafür erhielten sie dann auch zwei Belegexemplare, eine Urkunde, ein Türschild, Hinterglasaufkleber und Nutzungsrechte von WeinGuide- Logo und dem Artikel über das eigene Weingut.

Hintergrund ist die aktuelle Krise der deutschen Weinpresse:

Die Zeitschrift „WeinGourmet“ wurde im März diesen Jahres als eigenständige Zeitschrift eingestellt und erscheint jetzt nur noch als wenige Seiten starke Rubrik in der früheren Schwesterzeitschrift „Der Feinschmecker“.

Die Zeitschrift Vinum wurde erst vor wenigen Tagen vom Landwirtschaftsverlag in Münster, der in den vergangenen sieben Jahren mehrere Millionen Euro in dieses Projekt gesteckt haben soll aber damit immer nur rote Zahlen schrieb, an die Künzlerbachmann Medien AG in St. Gallen verkauft. Vom neuen Eigentümer, der nicht nur als Medienunternehmen sondern auch ein Direktvertriebsspezialist und Adresshändler tätig ist, wird erwartet, das er sich in den nächsten Wochen vom Großteil der bisherigen Redaktion trennen wird.

Zur wirtschaftlichen Lage des Gault Millau WeinGuide ist mir nichts bekannt, es dürfte aber kaum verwundern, wenn auch diese Publikation um ihren Fortbestand kämpfen muss. Daher scheint es auf den ersten Blick nur konsequent, die verzeichneten Weingüter, von denen in den vergangenen Jahren viele von den Bewertungen im WeinGuide profitierten und ebenso viele ihre WeinGuide-Bewertungen zu Werbezwecken nutzten, an den Entstehungskosten zu beteiligen. In einer Reihe anderer Branchen ist es übrigens völlig normal, dass für die Verwendung von Logos, Bewertungen oder Zertifikaten anderer für deren Nutzungsrechte gezahlt wird. In dem mit diversen öffentlichen Fördertöpfen und finanziell potenten Interessenverbänden versehenen Weinumfeld hätte es aber sicher auch noch eine ganze Reihe anderer Ansatzpunkte für eine künftige Finanzierung des Wineguide gegeben. In Österreich scheint man da deutlich kreativer.

Ob außerdem die Vorgehensweise, offenbar ohne gründliche Vorbereitung und ohne Vorgespräche mit Verbänden einen Brief gleichzeitig an alle im WeinGuide vertretenen Weingüter zu schreiben, besonders geschickt war, darf bezweifelt werden.

Nun also dieser offene Brief von 14 Weingütern. Von einem Teil der Unterzeichner ist bekannt, dass sie seit Jahren mit dem streitbaren WeinGuide Herausgeber und Vorsitzenden des VDP Nahe-Ahr Armin Diel so über Kreuz liegen, dass nur noch der zündende Funke fehlte. Auf einen weiteren Umstand macht Mario Scheuermann in seinem Blogbeitrag aufmerksam: Ein großer Teil der Erstunterzeichner gehört zu jener Gruppe , die sich (zusammen mit einigen ausländischen Winzern) regelmäßig mit dem im Hamburger Jahreszeiten Verlag erscheinenden Magazin „Der Feinschmecker“ bei Messen an einem Gemeinschaftsstand präsentiert.

Ich halte den Gault Millau WeinGuide für ein zu wichtiges Bestandteil der deutschen Weinwirtschaft, um ihn auf Grund schlechter Kommunikation und mangelnder Kreativität auf Verlagsseite sowie vor allem persönlicher Befindlichkeiten und dem Wunsch zum begleichen alter Rechnungen auf Winzerseite zu opfern. Es gibt sicher auch eine Vielzahl von betroffenen Winzern, denen die (erst mal freiwilligen!) rund 200 € weh tun würden. Die meisten der Erstunterzeichner des offenen Briefes gehören sicher nicht dazu. Ein Teil dieser Top-Winzer, die den Großteil ihres Weines seit Jahren in Übersee absetzen und in Deutschland (zumindest bei ihren Spitzengewächsen) schon lange vor der Veröffentlichung des WeinGuide im Herbst ausverkauft sind, kann getrost auf die WeinGuide-Bewertungen verzichten. Hier sind dann eher Robert Parkers WineAdvocate (genauer sein Deutschland-Experte David Schildknecht) und der WineSpectator mit Bruce Sanderson gefragt.

Für unbekanntere Weingüter ist die Möglichkeit, durch gute Bewertungen in Weinführern (und da ist der WeinGuide der Wichtigste, trotz all seiner Defizite: z.B. keine Blindverkostungen, zu enge Verflechtungen zwischen Verkostern und Winzern) auf sich aufmerksam zu machen, deutlich wichtiger.

Daher bin ich sehr gespannt, wer sich in den nächsten Tagen zu den Unterzeichnern dazugesellt (und wer nicht) und wie sich dieser Konflikt dann weiterentwickelt.

Update 8. Juli:

Nun, rund sechs Tage nach bekannt werden des offenen Briefes, wird immer deutlicher, dass die Stoßrichtung der Widerstands gegen den Gault Millau WeinGuide weniger gegen das nicht ganz geschickten Vorgehen des Verlages zielt als vielmehr gegen die Chefredaktion um die Person Armin Diel. Häufig fällt der Begriff „System Diel“. In diesen Tagen mehrfach gehörte Sätze wie: „wenn unbestritten ist, dass er einige Weingüter hochgeschrieben hat, dann muss man auch davon ausgehen, dass er den Aufstieg anderer bewußt blockiert hat“ zeigen, welche Emotionen mit diesem Namen verbunden sind. Ich kann nicht beurteilen ob oder in wie weit das wirklich zutrift. Das es Interessenkonflickte geben muss, wenn die selbe Person Spitzenwinzer, VDP-Regionalfürst, Journalist für mehrere Wein&Genuss-Publikationen und Herrausgeber des wichtigsten Weinführers des Landes ist, ist offensichtlich. Das ist aber jetzt nichts neues. Der im Herbst erscheinende WeinGuide ist, wenn ich richtig gerechnet habe, sein neunzehnter, VDP-Nahe-Vorsitzender ist er seit 1993 und Winzer noch viel länger.

Ich kenne Armin Diel sicher lange nicht so gut wie Blogger-Kollege Dirk Würtz, der regelmäßig mit ihm Skat spielt, aber doch gut genug für ein paar weiter Worte zur Person. Obwohl ich immer mal wieder deftige Kritik an ihm höre, überwiegt bei mir ein klar positiver Eindruck von diesem Mann. Er hat bei vielen Dingen seine Meinung, für die er offen eintritt und die nicht immer jedem gefällt. Was beispielsweise die Zukunft des Moselweinbaus angeht, teile ich auch eher die Positionen von Reinhard Löwenstein (vereinfacht gesagt: Vielfalt der Stile zulassen – Von Heymann-Löwenstein, Van Volxem & Clemens Busch auf der einen Seite bis zu Fritz Haag und Egon Müller auf der anderen) als die von Armin Diel (aus Gründen der besseren Vermarktbarkeit einen klassischen Moselstil durchzusetzen). Aber man muss Armin Diel lassen, dass er zu allem offen steht. Auch hinter jeder seiner Bewertungen steht offen sein Name. Es ist sein Eindruck, seine subjektive Bewertung. Wenn sie positiv ist, wird sie gerne mitgenommen. Wenn sie dem betroffenen Winzer oder Händler aber zu schlecht erscheint (egal ob zu recht oder zu unrecht), wird seine Bewertung von vielen nur hinter vorgehaltener Hand kritisiert.

Eines ist für mich aber auch klar: Wenn sich jemand mit ihm einmal richtig überworfen hat, hat er einen echten Gegner, der von Nadelstichen über das Florett bis zum Holzhammer das komplette Repertoire beherrscht.

Ich sollte an dieser Stelle wohl anfügen, dass ich einige der Briefeschreiber (z.B. Reinhard Löwenstein) ebenso schätze.

Eine Antwort-Email des herausgebenden Christian-Verlags an die 14 Initiatoren von Samstag Abend und ein in weiten Teilen identisches Schreiben des Verlags an alle im WeinGuide vertretenen Weingüter.

Eine Reaktion aus der Gruppe der 14 vom Winzer des Jahres Werner Knipser, der trotzdem das fernbleiben (zumindest für dieses Jahr) empfiehlt: Süddeutsche Zeitung

Interview von Weinjournalist Mario Scheuermann mit Gault Millau Verleger Clemens Hahn, bei dem er eigene Fehler bei der Kommunizierung des 195-Euro-Pakets  eingesteht aber auch klarstellt: Chefredakteur Armin Diel steht nicht zur Disposition!

Reaktionen der beiden anderen deutschen Weinführer:

Für Wein-Plus schreibt Geschäftsführer Utz Graafmann vom „heiligen Prinzip“ der Trennung zwischen Redaktion und Werbung, berichtet aber auch vom „Winzerabo“, einem Zusatzpaket, das Winzer bei Wein-Plus buchen können um damit z.B. auf  den Wein-Plus-Seiten neben dem redaktionellen Erzeugerportrait eigene Preislisten, Videos und weitere Infos zu präsentieren.

Gerhard Eichelmann vom Mondo-Verlag hat folgende Pressemitteilung veröffentlicht:

Sehr geehrte Kollegen von der Presse,

da sich immer wieder Pressevertreter melden und wissen wollen, wie wir im Verlag Mondo Heidelberg es mit den Verkostungen für unseren Weinführer halten, hier eine knappe Zusammenfassung:

1. Verkostungen sind kostenfrei, eine Verkostungsgebühr wird nicht erhoben.

2. Aufkleber für Werbezwecke erhalten die Weingüter auf Anfrage kostenlos.

3. Auf Anfrage stellen wir den Weingütern den sie betreffenden Artikel im gewünschten Format kostenfrei zur Verfügung.

4. Die Verkostungen erfolgen, wenn immer möglich, „blind“.

5. Aufgrund zweistelliger Wachstumsraten können wir weiter in das Buch „investieren“, wir werden den Inhalt der nächsten Ausgabe deutlich erweitern und das Innen-Layout noch attraktiver und nutzerfreundlicher gestalten.

Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Eichelmann

PS: „Eichelmann Deutschlands Weine 2010“ erscheint im November 2009

Wie geht es nun weiter? Die große Welle der mitunterzeichnenden Weingütern ist mit acht weiteren Winzerbetrieben nach einer Woche erst einmal ausgeblieben, die allermeisten Weingüter haben ihre Weine zur Verkostung eingereicht, deutlich mehr als die Hälfte der angeschriebenen Weingüter hat sogar bereits das angebotene 195 € Paket gebucht und am heutigenDonnerstag ist Vorstandssitzung und Bundesmitgliederversammlung des VDP in Oppenheim. Natürlich mit Armin Diel und einem Großteil der Briefeschreiber. Klingt nach ein paar weiteren spannenden Tagen.

Patrick Johner aus den Reihen der 14 Winzer berichtete derweil über Twitter, dass man intern dabei sei sich abzustimmen und Kollege Werner Näkel kündigte im DrinkTank für „die nächsten Tage“ ein Antwortschreiben an den Verlag an.

Update 2 – 9. Juli

Am heutigen Donnerstag Morgen veröffentlich der Christain Verlag folgende Pressemiteilung und verkündet damit den Rücktritt von Armin Diel als Chefredakteur und Herausgeber des WeinGuide.

Wie Armin Diel am Rande der heutigen VDP-Vorstandssitzung erklärte, wird er aber weiter Vorsitzender des VDP-Nahe-Ahr und Präsidiumsmitglied des Bundes-VDP bleiben. In den letzten Tagen war darüber spekuliert worden, dass einige Winzer die Doppelfunktion WeinGuide-Chef und VDP-Funktionär nicht mehr weiter hinnehmen wollten.

Andere zum diesem ganzen Themenkomplex:

Mitinitiator Patrick Johner

Dirk Würtz (1)

Dirk Würtz (2)

Dirk Würtz (3) – Der Elfenbeinturm der Objektivitat

Mario Scheuermanns DrinkTank

Welt-Online

Winzerblog (1) Gault-Millau – Der Widerstand formiert sich

Winzerblog (2) Die Krise um den Weinführer Gault Millau in der Presse

Werner Elflein (2) Winzer, was wollt Ihr (wirklich)?

Weincasting

Weinakademie-Berlin (Michael W. Pleitgen)

Nikos-Weinwelten

Jancis Robinson (Master of Wine)

Blog des Weinguts St-Antony (1)

Blog des Weinguts St-Antony (2): lasst-die-kirche-im-dorf

Drunkenmonday Weinblog

Augsburger Weinblog (Christian Hörtrich)

Weinfachberater Der Ultes

Weinverkostungen.de

Schnutentunker: 14 Landwirte hegen groll

Diskussion zum Thema bei talk-about-wine (TAW)

4 Kommentare

4 Pings

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  1. Die meisten Einschätzungen teile ich durchaus.

    Das Weingut Bercher ist allerdings sehr wohl im GM Weinguide gelistet und derzeit als „Drei-Trauben-Betrieb“ klassifiziert.

    http://www.weinguide.de/suche/suche_ssuche.cfm?id=0190/2

    • Weinkaiser auf 3. Juli 2009 bei 13:17
    • Antworten

    Vielen Dank für den Hinweis Guido,

    habe den Satz zum Weingut Bercher gelöcht. Nachdem andere Blogs gestern davon berichteten, eines der Erstunterzeichner-Weingüter sei gar nicht im GM gelistet, habe ich meinen Weinguide durchgesehen und das Weingut Bercher nicht auf Anhieb gefunden. Die Info war falsch, alle 14 Erstunterzeichner sind derzeit im WeinGuide gelistet und bewertet.

  2. Wenn Du wüßtest mit wem ich alles Skat spiele 🙂

    Aber mal ernsthaft, nur um es noch einmal in aller Deutlichkeit zu sagen, ich hätte auch ohne Skat die gleiche Meinung! Die Tatsache, dass ich ab und zu mit einem der Protagonisten in diesem Trauerspiel Skat spiele, heißt nicht a priori, dass ich deswegen grenzen- und gedankenlos solidarisch bin. Das, denke ich jedenfalls, kann man auch an meinem Blogbeiträgen sehen.

    • Weinkaiser auf 8. Juli 2009 bei 16:15
    • Antworten

    Hallo Dirk, das hab ich nie anders gesehen. Habe nur darauf hinweisen wollen, dass es bei dieser Diskussion Teilnehmer gibt, die die Beleiligten noch deutlich besser kennen als ich. Dafür warst und bist Du ein gutes Beispiel. Mir gefällt im Gegenteil sehr gut, wie Du bei dieser ganzen Diskussion zwischen persönlichen Verbindungen und Standpunkt in der Sache trennst.

  1. […] WeinGuide am Ende? Weincasting: Gault Millau und die Winzer. Vive la révolution?!

 Streit um Gault Millau WeinGuide eskaliert Nikos Weinwelten: Winzer contra Gault Millau Weinguide Jancis Robinson: Top German producers […]

  2. […] in anderen Blogs zum Thema: Werner Elflein Würtz I Würtz II Würtz III Patrik Johner Weinkaiser Thomas Lippert Weinakademie Berlin Drunken Monday Drinktank St. Antony I St. Antony II Christian […]

  3. […] berichtet. Danach zog das ganze Web 2.0 nach. Der Weinkaiser hat seinen Artikel zwischenzeitlich mehrfach überarbeitet, hier findet sich eine gute Übersicht über weitere […]

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