I am Franzen

Franzen 2013er Kollektion

Chris T. Gampe ist Vinophiler Käsedealer in Berlin. Der 34-Jährige wird hier künftig gelegentlich als Gastblogger das Wort ergreifen. In den Sozialen Medien ist er bereits seit langem regelmäßig rund um das Thema Wein aktiv. Dies ist sein erster Blogbeitrag.

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Der erste Sex ist meistens ausbaufähig. Der erste Artikel auch.

Eines Vorneweg. Klar sind die 2013er zu jung, aber ich habe keine Lust den Artikel in 2-3 Jahren zu schreiben. Alle auftretenden Personen sind frei erfunden die Weine und ihre Wirkung aber sehr real!

Es geht heute um die Weine vom Weingut Franzen aus dem Ort Bremm an der Mosel. Dem wohl bekanntesten Ort der Moselschleife im Herzen der Calmont Region. Kilian Franzen führt das „Wertvolle Erbe“ mit seiner Frau Angelina nun seit 2010 gemeinsam. Ungewollt und ungeplant früh, dafür aber unheimlich gut. Das Schicksal wollte es so. Wir haben September 2014 in Berlin. Gerade ist der Altweibersommer zurückgekehrt, wenn auch nur für eine Woche, danach ist Schluss mit Minirock, Flip Flops und Eis am Stil. Die perfekte Gelegenheit sich noch mal die Sommeratmosphäre ins Glas zu holen. Also Flasche auf, Rüssel rein und Sonne an.

Der Sommer war sehr groß 2013
Die Rieslingtrauben dieses Weines stammen zum größten Teil aus dem Bremmer Calmont einem der steilsten Weinberge Europas. 50 Jahre alte Rieslingreben geben außerdem ihr bestes. In der Nase treffe ich auf frische Zitrusnoten, etwas süßlich in Richtung Amalfizitrone und Zitronenthymian, dann etwas gelber reifer Apfel. Am Gaumen kommt der Wein richtig saftig rüber gepaart mit einer gewissen Süße und Würze (grüner Pfeffer). Die tragende Säure vereint alle Komponenten zu einem recht freudigen Trinkspaß. Ein sehr fruchtiger Wein der nach einem Zitronenhähnchen aus dem Ofen schreit. Flasche leer? Trinkfluss Punkte: 2 von 5 Tropfen

Ich führe hiermit eine neue Punkteskala ein. NEIN! Wir haben noch nicht genug 😉 Meine Skala ist außerdem sehr einfach zu verstehen und bezieht sich nur auf das Eine. Das Saufen, sprich den Trinkfluss. Frei nach Trappatoni: Flasche leer? Sie hat sonst keine weitere qualitative Aussage oder Bedeutung!

Neefer Frauenberg Riesling 2013
Weiter geht es mit dem Neefer Frauenberg Riesling 2013 (Lagenwein). Uiuiui. Schlank und elegant am Gaumen, das genaue Gegenteil von mir. Und da mich Gegensätze reizen ist das genau mein Ding. In der Nase etwas Grüne Feige und dezente Noten von grünem Tee. Am Gaumen dann eine betörend salzige Mineralik die nach einem zweiten und dritten Glas schreit. Das ist für mich schon sehr weit vorne in diesem Preissegment (10,90 €). Dieser Wein ist mein allein!! Flasche leer? Trinkfluss Punkte: 5 von 5 Tropfen

Bremmer Calmont Riesling 2013
Der Bremmer Calmont Riesling 2013 (Lagenwein) steht direkt gut temperiert neben dran. Und da ich keinen Korkenzieher brauche (Schraubverschluss) drehe ich ihm, noch euphorisiert vom Neefer Frauenberg einfach den Hals um. Hastig schenke ich mir ein Glas des goldgelb funkelnden Rebensaftes ein. Jetzt gehts ab! Als würden süßliche Zitronen Hand in Hand mit den Pampelmusen auf einer imaginären Rutsche aus Schiefer in meinen Rachen fließen. Das ist GENIAL. In meinem Übermut schmeiße ich aus Versehen das Glas vom Tisch aber anstatt die Scherben aufzukehren hole ich mir ein neues Glas aus dem Schrank und schütte nach. Irgendwie kommt mir das wie eine Symbiose aus dem Wein „Der Sommer war sehr groß“ und dem „Neefer Frauenberg“ vor. Die lebendige Säure tanzt auf meiner Zunge und ich habe meinen Spaß. Flasche leer? Trinkfluss Punkte: 3 von 5 Tropfen

Meine Frau ruft mich zum essen. Ich will hier nicht weg, denke ich mir. Schnell versuche ich die Spuren meines Übermuts zu beseitigen und fange an die Scherben einzusammeln. Es kommt wie es kommen muss. Ich schneide mich, das Blut rinnt an meiner Hand herunter. Meine Frau kommt ins Zimmer und ertappt mich blutverschmiert mit einem Weinglas in der Hand und den sechs Flaschen Wein auf dem Tisch stehend.

„So wird das niemals was mit dir. Du willst seriös über Wein schreiben?“

Ich werde verarztet und es wird stillschweigend zu Abend gegessen. Vor dem zu Bett gehen lege ich sorgsam die drei restlichen Flaschen in den Kühlschrank. Morgen ist ein neuer Tag.

Der Sommer ist vorbei. Das sagt mir der Blick aus dem Fenster. Graue, feuchte Nebelschwaden liegen in der Luft, die gnadenlos alles verschlingen. Den Fernsehturm haben sie schon ausgelöscht, nur die hässlichen Plattenbauten trotzen dem Nebel und stehen wie eh und je an ihrem Platz.

Meine Frau ist außer Haus zum Brunchen. Ich wurde nicht gefragt, da ich erstens nicht zu ihrem Freundeskreis passe, oder andersrum und zweitens weiß sie, dass ich es hasse zu Brunchen. Ich finde es gar widerlich. Es erinnert mich an frühere all inclusiv Hotelaufenthalte, Tellervollladen deluxe. Da liegen Bacon and Eggs neben Melone, Salami, Gouda und Marmeladenbroten auf einem viel zu kleinen Teller, weil man zu faul ist zweimal zum Buffet zu gehen und es dann dennoch tut. Man hat ja schließlich 15 € bezahlt. Das muss wieder reingeholt werden. Aber alles entspannt und gemütlich versteht sich, über Stunden! Ich habe heute etwas anderes vor. Mir passt es gerade doch ganz gut, dass die Sonne nicht scheint, so habe ich kein schlechtes Gewissen den ganzen Tag zu Hause zu bleiben mich in der Küche auszutoben und Weine zu verkosten. Im Kühlschrank liegen ja noch drei Überraschungen die auf mich warten.

2013 Neefer Frauenberg Goldkapsel (GG)
Nach den beiden Lagenrieslingen des Weingutes kommen wir heute zu den Großen Gewächsen. Teilweise haben die knorrigen Kameraden bis zu 90-100 Jahre auf dem Buckel. Den Anfang macht der Neefer Frauenberg Riesling Goldkapsel (GG) 2013. In der Nase ein verführender würzig, mineralisch Duft mit zarten Pfirsichnoten. Am Gaumen kraftvoll und trotzdem richtig trinkig. Nur perfektes, reifes Traubengut welches durch Handarbeit selektioniert wurde, wird hierfür verwendet. Das ist Riesling pur! Flasche leer? Trinkfluss Punkte: 4 von 5 Tropfen

2013 Bremmer Calmont Goldkapsel (GG)
Jetzt bin ich gespannt wie sich der Riesling Bremmer Calmont Goldkapsel (GG) 2013 im direkten Vergleich präsentiert. In der Nase eher zitrische Noten wie Grapefruit, Limette etwas eingelegter Ingwer und Tonic. Wow! Am Gaumen verbinden sich die Komponenten mit der frischen Säure! Das ist Sex auf der Zunge und gefällt mir im Moment noch ein bisschen besser als der Frauenberg. Man schmeckt den Boden des Calmont wirklich heraus, will man glatt behaupten. Der Wein kleidet den ganzen Mund aus ohne fett und anstrengend zu wirken. Das ist wirklich ganz, ganz große Rieslingkunst für 19,50 €! Dazu ein Wiener Schnitzel and i am in heaven!!!! Flasche leer? Trinkfluss Punkte: 5 von 5 Tropfen

Bereit für den Schlussakkord.

Gedacht getan. Während ich die Panierstrasse aufbaue und das Wasser für die Kartoffeln aufsetze öffne ich schon mal den letzten Wein vom Weingut Franzen. Der braucht sicherlich etwas Luft und Zeit. Den Riesling Calidus Mons Goldkapsel (GG), feinherb 2011! 90-100 Jahre alte Reben. „Der heiße Berg“ liegt goldgelb im Glas. Beim ersten hineinschnuppern zeigt sich meine Einschätzung erstmal bestätigt. Er ist noch sehr verschlossen. Nach und nach machen sich zarte Aromen von Pfirsich und Orangenzesten und die leichte Bitternote der Kumquats (JA GENAU) breit. Am Gaumen recht üppig mit viel Schmelz einem langen Nachhall und einer recht milden Säure. Der Wein schreit nach Zeit und Ziegenkäse. Bin gespannt wie der in 2-3 Jahren schmeckt.

Die Kartoffel sind bereit zum Kartoffelsalat zu werden. Die zwei Pfannen für die Schnitzelorgie stehen startklar auf dem Herd, da klingelt es an der Tür.

Kilian Franzen ist noch Jung. Da kommt noch einiges auf uns zu!

3 Pings

  1. […] kurz beschrieben. Im Blog vom Weinkaiser hat Chris T. Gampe als Gastautor unter dem Titel “I am Franzen” eine ganze Serie der Weine aus dem Hause Franzen sehr anschaulich beschrieben. Ein Text, dem […]

  2. […] Medien” gemacht, jetzt isst und trinkt er. Oder so… Und weil er die Tage so schön beim Kollegen Kaiser geschrieben hat, habe ich ihn gleich mal hierher […]

  3. […] ihr noch mehr über den Geschmack der Weine erfahren möchtet, empfehle ich euch die Artikel von Chris T. Gampe „I am Franzen“ und Peer F. Holm „Wein & Wissen: Großes Gewächs – GG einmal anders“. Nachdem wir die […]

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