Heymann-Löwenstein Riesling Winninger Uhlen 1996-2007

Vertikalen großer Bordeaux sind keine Seltenheit, ist es doch (zwar mit gewissem finanziellen Aufwand) fast immer möglich, fehlende Flaschen über die vielen regelmäßig stattfindenden Auktionen zusammen zu tragen. Eine solche, fast lückenlose, Vertikale eines deutschen Top-Rieslings sucht allerdings ihres gleichen, da kaum jemand alle dazu nötigen Weine selbst eingelagert hat und reife Rieslinge auf Auktionen und im Handel so gut wie nie zu bekommen sind.

Zwei Bonner Weinfreunde, beide seit langem Heymann-Löwenstein-Fans, haben den Großteil dieser Uhlen-Kollektion aus ihren umfangreichen Privatsammlungen zusammen getragen und die noch fehlenden Jahrgänge konnten mit Hilfe von Winzer Reinhard Löwenstein und des Berliner Lokals Weinstein hinzugefügt werden.

Zur Verkostung standen 20 verschiedene Uhlen-Riesling aus dem Weingut Heymann-Löwenstein von 1996 bis 2007. Dazu gab es einen als Pirat angekündigten Wein, der ohne nähere Angaben zu seiner Herkunft aus dem Dekanter serviert wurde. Bis zum Jahrgang 2000 füllte Reinhard Löwenstein nur einen „trocken“ Uhlen, seit 2001 werden die Schieferformationen Roth Lay (Uhlen R), Laubach (Uhlen L) und Blaufüßer Lay (Uhlen B) von Löwenstein getrennt ausgebaut. Seit dem gibt es also jählich drei sensorisch mehr oder weniger trockene Uhlen-Rieslinge. Nach einer kurzen Diskussion vor Beginn der Verkostung haben wir uns für die Probenreihenfolge beginnend mit den ältesten Jahrgängen und endend mit den jüngsten entschieden.

1. Uhlen 1996
Goldgelb, Noten von Orangen, Honig, ein wenig Kräuter, geringe Süße, ein leicht herber Ton, dezenter Alterston, kräftige Säure und sehr feiner Weinstein der bei der geringsten Bewegung aufwirbelt. 86P

2. Uhlen 1998
Intensive Grapefruit-Aromen, angenehme herbe Note, deutliche Mineralik, wenig Säure, ein Hauch Kräuter, lang, enorm druckvoll. 89P

3. Uhlen 1999
Helles gelb, in der Nase Zitrusnoten, hohe Restsüße, etwas Karamell, wirkt jünger als er ist. 89P

4. Uhlen 2000
Sehr kräftiges dunkles goldgelb, frisch, ätherische Noten, deutliche Schieferwürze, leichte Bitternote, Mandarinen, Grapefruit. 87p

5. Uhlen R 2001
Wieder Grapefruit, Pfirsich, gut wahrnehmbare aber stimmig eingebundene Süße, Karamell, enorme Mineralität, stabile Säure. 91P

6. Uhlen R 2002
Anfangs eine kräftige Schwefelnote, die aber nach kurzer Zeit verfliegt, würzig, braucht Luft und idealer Weise noch einige Jahre Zeit. 90+P

7. Uhlen B 2003
Hefewürze, Schiefernote, zumindest sensorisch eine hohe Süße, noch ausreichend Säure, für einen 2003er erstaunlich fein (war ein schwieriger Jahrgang mit vielen breiten, unharmonischen und zu säurearmen Weinen). 88P

8. Uhlen L 2003
Helles gelb, Karamell, Pfirsich, hohe Süße, etwas kurz, typischer 2003er. 88P

9. Uhlen R 2003
Helles gelb, wirkt zur Zeit verschlossen, feine Pfirsichnase, florale Noten, etwas bitter. 87P

10. Uhlen B 2004
Schon jetzt toll, wirkt aber noch sehr jung, mineralisch, lang und enorm druckvoll. 93+P

11. Uhlen L 2004
Helles belb, sehr verschlossen, wirkt ebenfalls sehr jung, weniger druckvoll aber feiner und noch mineralischer als der B. 94P

12. Uhlen R 2004
Ein kompletter Obstkorb in der Nase, deutliche Mineralik, Schieferwürze, ein Hauch von Süße, aber nicht zu süß sondern pefekt zur Säure abgestimmt, enorme Länge, noch viel Potential, ein wirklich großer Wein. 97P

13. Uhlen B 2005
Zur Zeit zu verschlossen, kräftige Steinobst- und Zitrusnoten, recht hohe Säure, etwas Mineralik, in ein paar Jahren auf Wiedervorlage. 90P

14. Uhlen L 2005
Vor allem Kräuter und Pfirsich in Mund und Nase, dazu mineralische Noten, wird in den nächsten Jahren noch zulegen. 93+P

15. Uhlen R 2005
Wirkt extrem jung und verschlossen aber trotz allem schon jetzt großartig. Dieser Wein wird in den nächsten 10-20 Jahren mit dem 2004er Uhlen R den Wettbewerb bestreiten, bester je produzierter Uhlen zu sein. 97+P

16. Uhlen L 2006
Am Anfang steht eine herbe Note, kräftige Fruchtnoten, Karamell, anfangs wenig Mineralik und Komplexität, wirkt zuerst etwas zu einfach und süffig, mit der Zeit an der Luft legt er aber einiges zu. 90P

17. Uhlen R 2006
Feine Kräuter, Pfirsich, auch wieder Karamell, legt genau wie der L an der Luft deutlich zu. 91P

18. Uhlen B 2007
Intensive Zitrusfrucht, weniger Komplex, spürbare Süße, sehr lang, aber trotzdem klar der Schwächste der drei 2007er. 90P

19. Uhlen L 2007
Pfirsich, Zitrus, Kräuter, schöne Würze und Mineralik, noch sehr jung und verschlossen, trotzdem schon sehr lang. 93P

20. Uhlen R 2007
Sehr verschlossen, ein Hauch Pfirsich, hoch mineralisch und einfach noch sehr sehr jung. Bei der 2007er Jahrgangspräsentation in diesem Frühjahr im Weingut Heymann-Löwenstein war dieser Wein gerade erst gefüllt worden und noch nicht richtig einzuschätzen. Jetzt ist er zwar immer noch extrem jung, aber das große Potential zeigt sich so langsam. 94+P

21. Pirat (Uhlen R 2007)
Hier ging das große Raten los. Einige vermuteten, es handle sich um einen Wein aus dem Bremmer Calmont vom Weingut Franzen, andere vermuteten ein Gewächs von Clemens Busch oder Van Volxem. Mein Tipp war der 2007er Röttgen von Heymann-Löwenstein. Es handelte sich um den gleichen Wein wie Wein 20, also Heymann-Löwensteins  2007er Uhlen R, nur diesmal ca. fünf Stunden dekantiert. Erstaunlich, denn normalerweise gewinnen diese Weine mit zunehmender Luftzufuhr deutlich an Qualität, dieser 2007er Uhlen R wirkte allerdings etwas seifiger und matter als sein kurz vor dem Genuss geöffneter Pendant. 91P

Fazit
Kein einziger Korkschmecker, keine Flasche unter 86 Punkten, dafür gleich zweimal 97 und ein Schnitt von ziemlich genau 91 Punkten bei 21 Flaschen trockenem bis halbtrockenem Riesling. Das ist schon eine herausragende Bilanz einer Verkostung. Eine Bewertung von 97 Punkten für einen trockenen Weißwein habe ich zuvor übrigens erst zweimal vergeben: für einen Riesling G-Max von Klaus-Peter Keller und für den 2006er Grüner Veltliner Smaragd Loibner Vinothekfüllung vom Weingut Knoll aus der Wachau.

Noch ein paar Worte zur Lage Winninger Uhlen:

Die Weinbergslage Uhlen, die sich zum kleineren Teil auf Winninger und zum größeren Teil auf Koberner Gemeindegebiet befindet wurde schon im 19. Jahrhundert als eine der besten Lagen Deutschlands anerkannt. Bei der preußischen Lagenklassifikation der Regierungsbezirke Trier und Koblenz wurden alle Mosel- Weinbergslagen in acht Bonitätsklassen unterteilt, nach denen sich die Höhe der Grundsteuer richtete. Nur drei andere Lagen im kompletten Mosel-Saar-Ruwer Gebiet wurden dabei mit größerer Fläche in der ersten Klasse eingeordnet als der Uhlen: Der Scharzhofberg bei Wiltingen, die Zeltinger Sonnenuhr und das Graacher Himmelreich.

Winninger Uhlen

Ob die Lage jetzt Uhlen oder Uhle heißt, war anscheinend nicht immer klar: In der Weinbaukarte von Friedrich Wilhelm Koch & Heinrich Stephanus aus dem Jahre 1898 wird die Lage mehrfach als Uhle bezeichnet.


In der gleichzeitig von Eduard Markworth im Auftrag der Königlichen Regierung zu Coblenz erstellten und schon ein Jahr früher (also 1897) veröffentlichten „Mosel-Weinbaukarte für den Regierungsbezirk Coblenz“ wird allerdings schon der heutige Name Uhlen verwendet.

Bei der 1904, also sieben Jahre später, erstellten „Rhein-Weinbau-Karte für die Strecke Coblenz-Bonn einschliesslich des Ahrthales“ der Königlichen Regierung zu Coblenz bleiben die Beamten dann auch bei ihrer Version, dem heutigen Lagennamen Uhlen. Anders ist das übrigens beim heutigen Winninger Röttgen: Alle verfügbaren Lagenkarten bis weit ins 20. Jahrhundert hinein kennen nur den Rötchen oder Röttchen. Kein Wunder, dass fast alle Winninger Winzer die Lage bis heute gemäß der alten Schreibweise aussprechen, auch wenn sie die neue Schreibweise auf ihren Etiketten verwenden.

Die farbigen Abstufungen der Weinbergslagen auf den Lagenkarten geben Auskunft über den erzielten Steuerertrag in den Parzellen. Je dunkler die Farbe, je höher der wirtschaftliche Wert der Parzelle. Eines sollte man dazu wissen: Grundlage war nur der aus einer Parzelle erzielbare finanzielle Gewinn. Dies bedeutet, dass extrem steile, unzugängliche oder einfach weit abseits der Wirtschaftswege gelegene Parzellen benachteiligt waren, denn auch wenn hier geniale Weine entstanden, wurden zuerst die höheren Bewirtschaftungskosten abgezogen, bevor der Ertrag der Parzelle einer Bonitätsklasse zugewiesen wurde.

Die acht Bonitätsklassen wurden an der Mosel in nur drei Farbstufen zusammengefasst, so dass beispielsweise die dunkelste Farbstufe die erste und zweite Bonitätsklasse umfasst (im Rheingau wurden übrigens vier Farben verwendet). Die genaue Einstufung einer Parzelle lässt sich daher nur in den Katasterzeichnung nachvollziehen, die auch als Daten-Grundlage bei der Erstellung der Lagenkarten herangezogen wurden. Hier der Ausschnitt einer solchen Katasterzeichnung vom Winninger Uhlen:

Katasterzeichnung des Gebiets um den Uhlen

Das hier gezeigte Kartenmaterial ist heute im Besitz des Landeshauptarchives Koblenz und kann, zumindest in weiten Teilen, auch über dessen Internetseite eingesehen werden.

Allen, die mehr über den Weinbergslage Uhlen erfahren möchten, sei die folgende Broschüre empfohlen: Geologe Dr. Ralf Kröll und Reinhard Löwenstein geben darin interessante geologische Informationen über den Uhlen und zeigen eine Reihe von Fotos, die unter anderem gut erkennen lassen, wo die Schieferformationen Roth Lay, Laubach und Blaufüßer Lay zu finden sind. Die Broschüre schließt mit einem schönen Artikel von Stuart Pigott über den Uhlen (es handelt sich um eine minimal gekürzte Fassung des Artikels, mit dem Pigott 2002 die mehrjährige FAZ-Serie „Zur Lage des Weins“ abschloss. (Ein Klick auf die Abbildung der Broschüre öffnet die pdf-Version.)

Zum Schluss natürlich der Hinweis auf das offizielle Probenprotokoll unserer Uhlen-Verkostung, geschrieben von Dominik Ziller und zu finden auf den Seiten der Kölner Seilschaft und den Blogbeitrag eines Kölner Weinfreundes zur unserer Verkostung.

6 Kommentare

6 Pings

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  1. Da läuft mir ja beim lesen regelrecht das Wasser im Munde zusammen! Sehr informativ und aufschlußreich ist dein Verkostungsbericht!

  2. Hi Ralf, achte mal auf die erste KArte, da steht: Röttchen! In Karte 3 steht dann Rötchen!

    😉

    • Weinkaiser auf 9. Dezember 2009 bei 23:19
    • Antworten

    Hi Alexander, das hatte ich gesehen und erwähne es auch im Text (zwischen zweiter und dritter Karte). Nächsten Sommer drehen wir dann das von Dir vorgeschlagene Röttgen/Röttchen/Rötchen Video! 😉

    • Dominik auf 10. Dezember 2009 bei 12:28
    • Antworten

    Prima Beitrag – da habe ich viel über die Lagengeschichte gelernt, danke!
    Gruß
    DOminik

    • Malter auf 27. September 2010 bei 07:37
    • Antworten

    Hallo.

    Ich verstehe nicht warum der 1997 hier in der Verkostung erwähnt wurde.

    Der 1997 ( Uhlen wie Röttgen .) ist für mich der gesamten Kollektion von 1986-2009-( ich habe alle im Besitz) eindeutig überlegen und noch besser als 2005.

    Mit freundlichen Grüßen

    Heribert Malter

    • Winfried Bungert auf 22. Dezember 2010 bei 10:38
    • Antworten

    Hallo,
    ich habe vor ein paar Wochen einen 2003-er Uhlen aus dem Keller geholt. Leider eine riesen Enttäuschung. Mit leichtem Entsetzen der Wein bereits eine so starke Firnis, dass ich nur mit einiger Überwindung etwas mehr verkosten konnte. Somit kann ich die oben beschriebene Verkostungsnotiz leider nicht bestätigen. Schade.

    Viele Grüße,
    Winfried Bungert

  1. […] Dieser Eintrag wurde auf Twitter von Christian Hoertrich und Ralf Kaiser, Bernd Schmidt erwähnt. Bernd Schmidt sagte: Informative Verkostung Heymann-Löwenstein Riesling Winninger Uhlen 1996-2007 http://bit.ly/574LGq […]

  2. […] Mehr über die Weinbergslage Winninger Uhlen (incl. Lagenkarten) im Blogbeitrag zu einer Verkostung mit Uhlen-Riesl…. […]

  3. […] Historie: Als Parzellen des Winninger Uhlen sind beispielsweise Blaufüßer Lay, Roth-Lay und Laubach bekannt. Lage: Der Winninger Uhlen ist eine Terassenlage an der Mosel, die zwischen 75 bis 210 m ü. NN liegt und sehr Steil ist (50-70 %). Boden: Der Boden besteht aus verschiedenen Schiefersteinschichten von 300 Millionen Jahre altem Meeresboden. Auf ihm wachsen vor allem finessenreiche mineralische Rieslinge mit Aromenvielfalt. Neben grauem und blauem Schiefer findet man Sandsteine mit hohem Eisenoxidanteil, aber auch Kalksteinbänder und Quarzite. Der Gesteinsanteil liegt bei über 50 Prozent Größe: 14,5 ha Verkostungsbericht einer Vertikalen unter http://www.weinkaiser.de/heymann-lowenstein-riesling-winninger-uhlen-1996-2007/#more-1131 […]

  4. […] des Weinkaiser-Beitrags in der Rhein-Zeitung könnte dieser ausführliche Blog-Beitrag über die Weinbergslage Winninger Uhlen und eine große Verkostung von Uhlen-Rieslingen des Weinguts Heymann-L… von Interesse […]

  5. […] Mehr über die Weinbergslage Winninger Uhlen (incl. Lagenkarten) im Blogbeitrag zu einer Verkostung mit Uhlen-Riesl…. […]

  6. […] Mehr über die Weinbergslage Winninger Uhlen (incl. Lagenkarten) im Blogbeitrag zu einer Verkostung mit Uhlen-Riesl…. […]

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