VDP mit dem Vorbild Burgund? Gott bewahre!

Der VDP hat diese Woche eine neue verbandsinterne Klassifikation einstimmig beschlossen.

Der Tenor lautet: Unser Vorbild ist Burgund.

Das Problem: Burgund ist nicht nur die teuerste sondern auch die unübersichtlichste Weinregion der Welt. Und vor allem: mit den meisten deutschen Weinregionen überhaupt nicht vergleichbar.

Deshalb wird es – überall wo ein Winzer es für sinnvoll hält – Ausnahmen geben. So ist es im Beschluss vorgesehen. Nur so war die einstimmig Annahme möglich. Von einigen Top-Betrieben angestrebte strengere und mehr auf Qualität bedachte Regeln waren nicht durchsetzbar. Die Folge ist noch mehr Vielfalt statt klarere und übersichtlichere Regelungen für die gelegentlichen Weinkäufer.

Andererseits wollte man unbedingt schon jetzt einen Beschluss. Keine Zeit für mehr Überzeugungsarbeit und einen Weg gemeinsam mit der Politik, die auch gerade dabei ist, das Bezeichnungsrecht zu überarbeiten und EU-Vorgaben umzusetzen. Daher nun die Eierlegende Wollmilchsau. Dabei scheint es egal zu sein, dass einiges was da beschlossen wurde, auf keinem Etikett abgedruckt werden darf. Erste Gewächse sind dem Bundesland Hessen vorbehalten und weder Große Lage noch Großes Gewächs dürfen auf Deutschen Weinetiketten erscheinen.


Die Lageneinteilung ist schon bisher sehr fragwürdig und sie wird nun noch grotesker werden. Sehr strenge Kriterien für Große Lagen und GGs nur noch aus den dann definierten Großen Lagen? Dann fallen also künftig 80-90 Prozent der Großen Gewächse wieder weg? Die sicher auch schon finanziell schmerzhafte Ausweichvariante des Abstufens zum Ersten Gewächs aus Erster Lage wird außerhalb Hessens jedenfalls nicht zulässig sein.

Wer glaubt, dass die betroffenen Winzer das mitmachen, glaubt auch, dass die 200 Mitgliedsbetriebe des VDP deckungsgleich mit den 200 besten Weingütern unseres Landes sind und das alle Top-Lagen im Besitz von VDP-Betrieben sind. Berg Schlossberg von Breuer, Abtsberg von Maximin Grünhaus, die gefühlt 40 Lagen von Molitor, Uhlen und Röttgen von Knebel und all die Top-Lagen von Newcomern wie Weingart, Weiser-Künstler, Rings und wie sie alle heißen, sollen also außen vor bleiben, obwohl ihre Weine deutlich besser sind als die von mindestens der Hälfte des altehrwürdigen VDP-Rheingau mit all seinen künftigen Grand Cru Lagen.

Falls es niemandem aufgefallen ist: Im Burgund, dem großen Vorbild, sind alle Lagen klassifiziert. Unabhängig von aktuellen Besitzer oder dessen Mitgliedschaft in irgendwelchen Verbänden. Das bekommt man allerdings nur gemeinsam mit der Politik hin und nicht mit solchen wachsweichen Beschlüssen.

Nur damit kein falscher Eindruck aufkommt. Der Autor dieser Zeilen hat nichts gegen den VDP. Im Gegenteil. Ich liebe die Weine diverser Mitgliedsbetriebe aus fast allen Regionen.

Übrigens im Gegensatz zur oben abgebildeten, mehr als hundert Euro teuren Asphaltleiche aus einer der berühmtesten Grand Cru Lagen des Burgunds, die ich diese Woche (offenbar zur Abschreckung) getrunken habe. Der Clos de Vougeot Grand Cru 2008 von der Domaine Chantal Lescure roch über Stunden sehr intensiv nach Teer und Asphalt, hatte gewöhnungsbedürftige hohe Säurewerte und zeigte sich so verschlossen, dass nicht mal ein Hauch von Frucht erkennbar war. Tief im Keller eingraben und genau wie beim VDP auf Besserung hoffen…

Lesenswert zum Thema neue verbandsinterne VDP-Klassifikation auch Felix Eschenauer in seinem heutigen Kommentar bei CaptainCork.

4 Kommentare

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  1. Lieber Ralf,
    ich hatte auch schon überlegt dazu etwas zu schreiben. Aber viele Probleme nennst du ja schon. Sicherlich ist die Aufgabe schwierig. Weingüter haben unterschiedliche Auffassungen, es gibt Verbandsinteressen und in den Regionen gibt es unterschiedliche Weinbautraditionen und -bedingungen.

    Aus meiner Sicht geht man das Problem nicht wirklich an, sondern man verstrickt sich immer mehr in Begriffe und der Endverbraucher, der keine Lust oder Zeit dazu hat, sich mit Begriffen auseinanderzusetzen, bleibt verloren stehen.

    Die Kritik am Burgund kann ich vollauf nachvollziehen. Nehmen wir z.B. das Premier Cru Volnay-Santenots. Es gibt auch das Cru Meursault-Santenots. Beide kommen aus der Gemeinde Meursault. Der Volnay-Santenots wird jedoch (fälschlich) Volnay zugerechnet, weil es für Rotwein bekannt ist. Meursault hingegen gilt als eine der besten Herkunfts für Weißwein. Will man so etwas?

    Nun jetzt auch noch Große Lagen als Gipfel der Pyramiede? Ich höre schon die Leute, die Großlagen mit Großen Lagen verwechseln. Das ist noch einfacher als bei den Großen Gewächsen und dem Hochgewächs (hört man ja immer wieder, wobei Weingüter, Medien und Handel hier in den vergangenen 10 Jahren intensiv kommuniziert haben).

    Mir kommt die ganze Auseinandersetzung wie ein ewiger Konsensdiskurs vor, bei dem im Ergebnis nicht die beste Lösung herauskommt, sondern etwas von dem niemand etwas hat. Weder Weingüter, noch Verband und Irritation im Handel und beim Endverbaucher.

    Weiterentwicklung sieht aus meiner Sicht etwas anders aus. Das ist nähmlich zielgerichtet was ich nicht wirklich erkennen kann. Aber evtl. verstehe ich das alles nur nicht und im Sommer wird es dann plausibel. Erfreulich wäre es.

    Viele Grüße
    Thomas

  2. Hallo,

    ich schwimme ja nicht gerne gegen den Strom und finde natürlich auch, dass die Beschlüsse des VDP nicht optimal sind. Doch grundsätzlich bin ich der Meinung, dass sie ein Schritt in die richtige Richtung darstellen.

    Nun gut, das grosse Problem ist der Rheingau mit seinen Ersten Gewächsen, aber lassen wir diese Region mal aussen vor. Im Grunde werden ja erstmal alle GG-Lagen beibehalten und in Grosse Lagen umbenannt. Anschliessend jedoch, sollen die besten Grand Cru Lagen von den guten getrennt werden, letztere werden dann in Erste Lagen umbenannt. Dieser Schritt an sich macht für mich viel Sinn.

    Problem ist natürlich, dass ein jeder Winzer, insbesondere solche die nur wenige GG-Lagen besitzen, Ihre Lagen verteidigen wollen. Da wird es kompliziert, und falls diese Neuerung aufgeht, wird es zumindest viele Jahre dauern bis wir am Optimum sind.

    Aber mit dem Grundsätzlichen, mit dem „Gerüst“ bin ich mehr als einverstanden. Was wären denn überhaupt die Alternativen? Man braucht doch eine Kennzeichnung der guten und der besten Lagen. Das ist in Bordeaux so, und im Burgund (Italien als Vorbild? Ai ai ai) Oder man macht es wie in der neuen Welt, ganz ohne gesetzliche Lagen, nur mit dem Weinguts-Marketing und dem „guten Ruf“ eines Winzers.

    Sehr clever und amüsant, dass du ausgerechnet den Clos de Vougeot ausgesucht hast. Das ist mit Sicherheit die umstrittenste Grand Cru Lage des Burgund, weil viel zu gross gefasst, mit den unteren Teilen an der Strasse (Asphalt) die deutlich schlechter sind als die oberen Teile am Hang. Quasi das abschreckende Beispiel für den VDP.

    mit vinophilen Grüssen,

    Alex

  3. Hallo Thomas,

    danke für Deinen ausführlichen Kommentar. Ich habe im Kommentar versucht, es kurz zu fassen und es bei den kritischen Punkten zu belassen, damit der Beitrag nicht zu lang wird und Leser abschreckt. Die Punkte, die Du nennst, ergänzen den Text perfekt. Nur das Lob für die sinnvolle Weiterentwicklung am unteren Ende der Pyramide (Gutswein, Ortswein) fehlt dann noch…

    Viele Grüße
    Ralf

  4. Hi Ralf,
    man kann sicherlich noch ganz viel zum Burgund schreiben. Die Voraussetzungen sind einfacher: In der Regel verdienen die Flächenbesitzer gut und es gibt keine Flächenstillegungen in guten Lagen. Und in den deutschen Anbaugebieten? Wenn man das Beaujolais mit dem Gamay und das bischen Sauvignon rausrechnet hat man zwei Rebsorten. Eine rote und eine weiße. Die Weine sind dann trocken. Und in Deutschland?

    Man kann auch Probelme aufzeigen. Da wird regelmäßig Chablis Premier Cru (die Lage wird dann beim Wein nicht genannt) im Discounter für 8 bis 9 Euro abgeschleust, der – freundlich gesagt – deutlich unter meinen Vorstellungen für einem Wein zu einem solchen Preis ist. Die Kennzeichnung entspricht nicht meinen Erwartungen. Da gibt es bessere Petit Chalis für 6 Euro. Ist das ein gutes Vorbild?

    Nun will ich ja gar nicht zerschreiben, was beschlossen wurde. Ich kenne da auch nicht die Details. Wegen einer offenen Lagenbewertung schätze ich den „Weinatlas Deutschland“. Der sei jedem empfohlen. Hier werden die Ersten Lagen genannt und auch offen abgestuft. Da wird deutlich, dass viele Erste Lagen des VDP richtig gut sind, aber auch Lagen, die nicht als Erste Lagen klassifiziert sind, als sehr gut gelten können. Die Angaben halte ich für zuverlässig. Jeder der sich dafür interessiert, kann da nachschauen. Weitere Kennzeichnungen auf den Flaschen irritieren nur. In keinem anderen Land stehen so viele verschiedene Begriffe auf Weinflaschen wie in Deutschland.

    Ralf, was du vollkommen richtig schreibst ist, dass das Hauptproblem im unteren Teil der Pyramiede liegt. Das ist auch von der Menge interessant. Mit den Gutsweinen und Ortsweinen geht der VDP aus meiner Sicht seit Jahren schon den richtigen Weg. Damit kann man die Wertigkeit von Lagen erhöhen. Und irgendwann wird das Erdener Treppchen für 3,99 Euro im Supermarkt beim Verbraucher unglaubwürdig sein. Auch wenn dabei Kollateralschäden wie das Einstellen der Kennzeichnung „Mußbacher Eselshaut“ bei einem deiner geschätzten Weingüter entstehen.

    Von gekennzeichneten Großlagen ganz zu schweigen. Das hat eigentlich nicht viel mit dem VDP zu tun. Hier ist aus meiner Sicht der Gesetzgeber gefragt. Meine Rolle (und die anderer Onlinepublizisten) sehe ich auch darin, immer wieder auf dieses Probelm in Richtung Politik aufmerksam zu machen und Konsumenten zu sensibilisieren. Zuletzt hier:
    http://weinverkostungen.de/ahr-walporzheimer-klosterberg-oder-ahrweiler-klosterberg/
    (wobei die Ahr gerade ein schwieriges Beispiel ist, da hier die Weine aus den Großlagen doch recht hohe Preise erziehlen)

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