Der Klimawandel verändert die Weinwelt

Sebastian Holey vom Blog Weinbau-Oenologie.de hat die Weinrallye 63 mit dem Thema Anbaustopp ausgerufen. Anbaustopp oder Rebflanzungsverbot bedeutet, dass man für jede Weinbergsfläche, die in Europa bepflanzt werden soll, die nötigen Pflanzrechte haben muss. Die Beantragung neuer Pflanzrecht ist idR ausgeschlossen, so dass man die Rechte von jemandem kaufen muss, der sie derzeit besitzt. Einzig Hobbywinzer mit einer Anbaufläche von unter 1 Ar (100 m²) sind vom Anbaustopp ausgenommen. So erklärt sich beispielsweise, dass Deutschlands größtes weinbautreibendes Bundesland Rheinland-Pfalz vor wenigen Jahren Pflanzrechte für zehn Hektar Rebland an Schleswig-Holstein übertragen musste, damit Betriebe wie Balthasar Ress aus dem Rheingau seine 555 Rebstöcke (Solaris und Rivaner) in Keitum auf Sylt und Nahewinzer Steffen Montigny sogar 5.000 Stöcke in Ostholstein anpflanzen durften.


Falls der Anbaustopp noch lange bestehen bleibt (ein Ende wird in regelmäßigen Abständen diskutiert und wird wohl nur noch wenige Jahre auf sich warten lassen), wird eine solche Übertragung aus südlicheren in nördlichere Bundesländer künftig sicher deutlich häufiger erfolgen. Eine kürzlich im renommierten US-Wissenschaftsmagazin PNAS (Proceedings of the National Academy of Sciences) vorgestellte Studie von Conservation International kommt zum Ergebnis, dass sich bei einem durch den Klimawandel erwartetem Anstieg der Durchschnittstemperatur um 2°C bis 2050 die für den Weinbau nutzbaren Flächen deutlich verschieben werden.

Weinrallye 63 - Anbaustopp

Von den heute für Weinbau verwendeten Flächen werden nach dieser Prognose (insgesamt wurden 17 verschiedene Klimamodelle berechnet) je nach Region bis zu 85% (Südeuropa -85%, Australien -74%, Kalifornien -70%, Südafrika -55% und Chile -47%) nicht mehr wirtschaftlich sein. Wenn man sich die mit der Studie veröffentlichten Karten ansieht, auf denen bedrohte Regionen rot und begünstigte Regionen blau eingezeichnet sind, werden Deutschland und Österreich insgesamt vorerst profitieren. Nur im Süden der Bundesrepublik (wenn ich das auf der Karte richtig erkenne vor allem in Baden) ist ein kleiner Bereich von negativen Veränderungen betroffen. Besonders hart ist offenbar die Bordeaux-Region betroffen. Wer sich noch an elegante Bordeauxweine aus den 80er Jahren mit idR 12-12,5 % Vol. erinnert und heute sieht, dass diverse Betriebe beginnen, den Merlotanteil in ihren Cuvées zu reduzieren um wenigstens unter 15% Vol. zu bleiben (Merlot enthält ausgereift mehr Zucker als Cabernet Sauvignon und hat daher zum trockenen Wein durchgegoren auch einen höheren Alkoholgehalt), hat sich damit eh schon abgefunden. Wahrscheinlich hat sich bis 2050 sogar in China herumgesprochen, dass ein Chateau Petrus mit 17% ohne Verdünnung durch Cola kaum noch genießbar ist. Die größten Profiteure wären nördlichere Regionen wie die Beneluxstaaten, Norddeutschland, der Nordosten Frankreichs und Polen. Während das Ress-Projekt auf Sylt meist noch als Marketinggag abgetan wird, hat in Südengland längst des Wettrennen namhafter Champagnerhäuser um zukunftsfähige Flächen mit geeigneten Böden begonnen.

Nicht ganz so drastisch sieht der berühmte Winzer Michel Chapoutier aus der französischen Weinregion Rhone die Entwicklung. Im Interview mit dem englischen Weinmagazin DECANTER bezeichnet Chapoutier die Schlussfolgerungen der Studie als übertrieben und von mehreren Denkfehlern durchzogen. Er weißt darauf hin, dass beispielsweise im Bordeaux die Cuvées verändert werden können und Merlot durch hitzebeständige Cabernet Sauvignon, Petit Verdot and Malbec ersetzt werden kann (was ja wie oben beschrieben bereits begonnen hat). Außerdem habe es dort bereits extreme Jahrgänge wie 2003 und 2005 gegeben, in denen der als durchschnittlich prognostizierte Temperaturanstieg von 2°C schon Realität war und gerade diese Jahrgänge haben sich als besonders gut erwiesen. Dazu sei nicht beachtet worden, dass im alten Europa einige Rebsorten extrem anpassungs- und widerstandsfähig seien und sie sich mit einem Wurzelwerk von bis zu 40 Metern Tiefe auch in extremen Jahren noch genug Feuchtigkeit besorgen könnten (hier hat er meine volle Zustimmung). Dies sei mit der „Neuen Welt“, wo viele Rebstöcke nur 1,5 Meter tief wurzelten, nicht vergleichbar. Dass der Merlot eines Petrus oder anderer berühmter Bordeaux vom rechten (Gironde-)Ufer um Saint Emilion und Pomerol auch nicht tiefer als einen Meter wurzelt, scheint ihm dabei egal zu sein.

Wenn man zu diesem Thema mal ein wenig googelt, stellt man fest dass ein winziger Nebenaspekt der Studie besonders viel Aufmerksamkeit in der internationalen Presse bekommen hat: die Gegend in China, in der Weinbau künftig besonders begünstigt sein wird, ist genau die, in der derzeit die knuddeligen Pandas leben. Dass es den Pandas dort künftig zu warm werden wird und sich ihr bevorzugter Lebensraum also nur parallel mit den Weinregionen verschieben und nicht ersatzlos wegfallen wird, haben sie leider nicht verstanden, die lieben Medien, die sich auf der Kuscheltierwelle als Tierschützer versuchen.

Tschüss Panda? Chart: Tim McDonnell von ClimateDesk

Was ist eine Weinrallye?

Einmal im Monat sind alle Wein- und Foodblogs aufgerufen, sich einen Tag lang einem (alle dem selben) vorher festgelegten Thema zu widmen. Heute war ein solcher Tag und das Thema der Weinrallye, wie sich dieser Onlineevent nennt, der heute zum 63. mal stattfand, lautet Anbaustopp. Der Aufruf zur Weinrallye #63 kam von Sebastian Holey vom Blog Weinbau-Oenologie.de.

Eine Übersicht aller bisherigen Weinrallye-Themen und Gastgeber gibt es übrigens hier: Weinkaiser.de/ehemalige-weinrallye-themen

3 Kommentare

3 Pings

  1. Sehr gute Zusammenfassung zum Thema Klimawandel und Wein mit guter Quellenauswahl. Ich werde einiges davon in mein neues Buch einfliessen lassen. Ein Wort zu Michel Chapoutier und Bordeaux. Wechsel des klassischen Rebsortenspiegels ist eine Sache. Damit kann man sich einge Zeit behelfen. Aber dann wird man auch über die Sorte Syrah nachdenken müssen und einige tun dies auch schon, wie mjir bekannt ist. Inzwischen behilft man sich bereits mit der Methode der Reduzierung des Zuckergehaltes beim Most. Egal wie der schleichende Wandel des Charakters der Bordeauxweine hat bereits begonnen auch wenn 2012 uns tatsächlich einen eher klassischen Jahrgang beschert hat.

  2. Ich muss/DARF mich Marion Scheuermann anschließen. Die Quellen sind einsame Spitze, ich hätte keine Ahnung, wie man so etwas findet! Der Text ist interessant geschrieben und macht ziemlich genau deutlich, dass es für jedes Argument auch wieder ein Gegenargument gibt. Klasse Arbeit!

    • Thomas Riedl auf 1. Juni 2013 bei 10:15
    • Antworten

    Hallo Ralf,

    das schätze ich an Deinen Texten: Du recherchierst, orientierst Dich an Fakten, und plapperst nicht einfach Mythen und Marketing-„Verzällche“ nach.
    Sehr gut geschrieben und weitblickend ist der Text im Übrigen.

    Vielen Dank und weiter so!

  1. […] Ralf Kaiser […]

  2. […] en verder: Der Weinkaiser Share this:TwitterFacebookPinterestVind ik leuk:Like Laden… Posted in: Deutsche Artikeln, […]

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